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Ernst A. Heiniger Der vergessene Schweizer Tausendsassa mit den zwei Oscars

Man kannte Ernst Albrecht Heiniger als charmanten Choleriker mit gutem Auge. Als ihn Walt Disney ansprach, veränderte das sein Leben.

Ernst A. Heiniger sah die Klapperschlangen und wusste: Sie mussten als Protagonisten in seinem Film «Grand Canyon». auftreten. Leider krochen sie zu langsam für die Filmmusik.

Heiniger studierte die Schlangen und lernte: Es bräuchte eine Bodentemperatur von exakt 46.1 Grad Celsius, damit sie sich im perfekten Rhythmus schlängelten.

ein Mann steht mit der Kamera in den Bergen
Legende: Ernst A. Heiniger und Ehefrau Jean waren mehr als zwei Monate auf dem Colorado River unterwegs für den Oscar-Film «Grand Canyon». Ernst A. Heiniger / Fotostiftung Schweiz

Der richtige Untergrund wurde gesucht, die Tiere engagiert und Heiniger war zufrieden. Der Film gewann 1959 einen Oscar für den Disney-Konzern. Diese Hartnäckigkeit begleitete ihn das ganze Leben.

Jung und experimentierfreudig

Ernst war Bauernbub. Er zog mit seiner Familie vom thurgauischen Engwang nach Urdorf, von wo er sich jung davonstahl und mit 19 in Zürich selbständig machte: als Positiv-Retoucheur.

Doch warum die schlechten Fotos anderer verbessern, wenn er von Anfang an selbst gute machen könnte?

So wurde er Fotograf. Der Autodidakt brachte sich schnell auf ein hohes technisches Niveau, prägte die Schweizer Fotografie der 1930er-Jahre durch eine moderne Bildästhetik.

Ernst Heiniger publizierte als einer der Ersten in der Schweiz ein Fotobuch – damals etwas völlig neues.

Guter Selbstvermarkter

Ernst Heiniger war Perfektionist und ein Arbeitstier, der nichts Privates preisgab. Ein Einzelgänger, der sich mit vielen überwarf.

Pünktlich zur Weltausstellung der Fotografie in Luzern brachte er 1952 ein Buch mit seinen besten Fotografien heraus. Er nannte es – gar nicht so bescheiden – «Masterpieces of Photography».

Dann kam Disney

Einem prominenten Gast fiel sein Werk auf: Walt Disney.

eine schwarz-weiss Aufnahme von zwei Männern im Gespräch
Legende: Ernst A. Heiniger zeigte Walt Disney das Gelände der Expo 64. Die beiden verband eine enge Freundschaft. Vicky Schoch / SRF

Der Amerikaner engagierte Heiniger. Im Disney-Hauptsitz in Burbank lernte der Schweizer seine Frau Jean kennen.

Ab ihrem ersten Treffen waren sie unzertrennlich, bereisten zusammen die ganze Welt. In den folgenden Jahren produzierte er mehrere Filme für den Weltkonzern. Darunter «Ama Girls», der den Oscar für bester Dokumentar-Kurzfilm gewann.

Heiniger entwickelte eine enge Beziehung zu Walt.

ein Mann mit nacktem Oberkörper bespricht sich mit einer Frau mit Schal
Legende: Ernst A. Heiniger und seine Frau Jean waren unzertrennlich: Hier reisten sie für einen Cinemascope-Film nach Japan. Ernst A. Heiniger / Fotostiftung Schweiz

Vorläufer Virtual Reality

Schwarz-weiss- und Farbfotografie, Film, Breitfilm, Light Art: Heiniger testete alle Arten des Sehens. 1964 kam eine weitere dazu: Der 360° Film.

Heinigers 360°-Aufnahmen aus den 60er-Jahren

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Ernst A. Heiniger / Fotostiftung Schweiz

Die ältesten Panorama-Aufnahmen der Schweiz stammen aus dem Film «Rund um Rad und Schiene» von Ernst A. Heiniger. Die Aufnahmen liessen die Besucher der Expo 64 staunen.

Entdecken Sie hier Szenen aus dem Publikumsmagnet: schauen Sie sich in der Berner Altstadt, einem Speisewagen mit adrett gekleideten Menschen oder auf einer Baustelle der 60er-Jahre um.

Aufnahmen aus der Gegenwart zeigen ausserdem, wie sich Stadtbilder, Technologien und Weltanschauungen verändert haben. Mit Kopfhörer tauchen sie noch tiefer in die Bilder ein, die mit Newsbeiträgen aus der jeweiligen Zeit unterlegt sind.

Für die Expo 1964 in Lausanne drehte er im Auftrag der SBB während zwei Jahren den Film «Rund um Rad und Schiene».

Das aufwändige 9-Kamerasystem wurde waghalsig an Seilbahnen, Helikoptern, Extrazügen oder auf seinem geliebten Chevrolet befestigt. Das Publikum war begeistert.

Der Rundum-Pionier

Doch warum neun Kameras, wenn vielleicht auch eine reichte? Die Idee liess ihn nicht mehr los.

eine schwarz-weiss Aufnahme eines Autos, auf dem etliche Kameras platziert sind
Legende: Das 9-Kamera-System auf Heinigers Chevrolet: Der Filmemacher legte sich für den Expo-Film ins Zeug. Karl Wolf / Fotostiftung Schweiz

Den Rest seines Lebens tüftelte Heiniger an seinem nahtlosen 360°-System namens Swissorama, welches das Sehen revolutionieren sollte. 1984 eröffnete Swissorama im Verkehrshaus Luzern seine Tore.

Dennoch unbekannt

Trotz Oscargewinn und Pionierarbeit ist Ernst A. Heiniger heute wenigen bekannt.

Im Alter wandte er sich immer mehr von der Schweiz ab, wanderte 1986 endgültig in die USA aus, wo er bis zu seinem Tod 1993 in seiner Villa in den Hollywood Hills lebte.

ein Mann hinter der Kamera, der eine Frau filmt
Legende: Ernst A. Heiniger mit Ehefrau Jean bei Dreharbeiten zu einem Cinemascope-Film. Ernst A. Heiniger / Fotostiftung Schweiz

Die Fotostiftung Schweiz in Winterthur versuchte schon länger vergeblich sein Erbe zu sichern. Erst nach dem Tod von Jean Heiniger brachten sie es 2014 nach Winterthur.

Hier wird es aufgearbeitet und bald in einer Ausstellung honoriert. Man kann gespannt sein, welche Aspekte des Perfektionisten Heiniger es vor die Augen der Besucher schaffen werden.

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