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Film & Serien Facelifting für «Ein Fall für zwei»

«Ein Fall für zwei» war drei Jahrzehnte lang ein typischer Dienstagskrimi: Matula blieb cool und distanziert. Drama und Emotionen steckten voll und ganz in den Mordfällen. Jetzt kommt die Neuauflage der legendären Serie. Lassen Anwalt und Detektiv ihren Gefühlen jetzt endlich freien Lauf?

Wären Serien Schiffe auf dem Zürichsee, so wäre «Mad Men» ein edles Motorboot mit Holzrumpf. «Girls» käme als wendige Jolle daher. Und «Games of Thrones» wäre eine blutrot lackierte Yacht. Dann gibt es noch die Autofähre Meilen-Horgen. Sie existiert schon seit Ewigkeiten, erregt kaum Aufmerksamkeit, ist im Alltag ihrer zahlreichen Benutzer aber unverzichtbar. Und sie wird immer noch in Betrieb sein, lange nachdem die anderen drei Boote längst verschwunden sind. Das wäre der Dienstagskrimi.

Erstmals ziviles Duo im Dienste der Gerechtigkeit

Diese Allegorie soll nicht endlos strapaziert werden, bloss noch dies: Wie die Fähre, so muss der Dienstagskrimi von Zeit zu Zeit renoviert werden. Sonst bleiben die Passagiere, sprich Zuschauer, weg.

Die Krimiserie «Ein Fall für zwei» (EFFZ) startete am 11.September 1981 und stellte damals ein Novum dar. Zum ersten Mal in einer deutschen Krimiserie stand kein Kommissar im Zentrum, sondern ein ziviles Duo: Anwalt und Privatdetektiv. Besetzung und Figur des Anwaltes wurden dreimal ausgetauscht, der Privatdetektiv blieb. Claus-Theo Gärtner verkörperte Josef Matula während 300 Folgen.

Beim Publikum beliebt, beim Feuilleton als Beispiel für die Rückwärtsgewandtheit des deutschen Serienschaffens verpönt. Auch wegen der in Stein gemeisselten Prämisse – O-Ton Detektiv a.D. Gärtner: «Einer sitzt unschuldig im Gefängnis. Wir holen ihn raus.»

Doch der bisherige oder zukünftige Erfolg von EFFZ beruht nicht bloss auf der konsequenten Einhaltung dieses Masterplots. Der ist eigentlich zweitrangig. Das eigentliche Fundament dieses Formats, ja der Marke ZDF-Krimi insgesamt, bilden zwei Grundsätze. Grundsatz eins: Die Episoden sind in sich abgeschlossen. Grundsatz zwei: Das Privatleben des Ermittlers bleibt draussen, die grossen Emotionen stecken im zu lösenden Fall.

Die Emotionen steckten im Fall

In einigen neueren ZDF-Krimis wie «Die Chefin» werden diese Prinzipien immer wieder aufgeweicht – einst waren es Dogmen. Entwickelt und geprägt wurden sie von zwei TV-Patriarchen: Produzent Helmut Ringelmann und Drehbuchautor Herbert Reinecker. Die Showrunner «avant la lettre» produzierten zusammen «Der Kommissar» (1968-76), «Derrick» (1974-98). Ringelmann zeichnete auch für den Dauerbrenner «Der Alte» (seit 1977) verantwortlich. Die in sich abgeschlossenen Geschichten sind wohl eher ökonomischen als künstlerischen Kriterien geschuldet: Die ZDF-Krimis lassen sich einzeln, in Serie und beliebiger Reihenfolge programmieren.

Bei Grundsatz Nummer zwei aber manifestierte sich Ringelmanns Gespür für die Bedürfnisse des damaligen deutschen Publikums, das den Krieg hautnah und unmittelbar miterlebt hatte. Nach dem «Triple-X-Large-Emotions-Gebläse der Nazizeit war Lakonie die richtigste Antwort», schrieb Regisseur Dominik Graf in seinem Nachruf auf Ringelmann, der 2011 gestorben ist. Und keiner verkörperte diesen Ermittler, als distanzierter Fels in der Brandung, perfekter als Horst Tappert in der Rolle von Oberinspektor Derrick.

Der Dienstagskrimi

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Der Dienstagskrimi entsteht in einer Koproduktion zwischen ZDF, SRF und teilweise ORF, umfasst gegenwärtig die Formate «Der Kriminalist», «Der Alte», «Die Chefin», «Der Staatsanwalt» und ab 6. Mai 2014 die Neuauflage von «Ein Fall für zwei».

Einblicke in Privatleben

Die Dialoge sind pure Funktionalität, das Kernensemble von «Derrick» hat keine andere Aufgabe, als Informationen zu bündeln und verdächtigen Fragen zu stellen. Ausgerechnet die Schöpfer bundesdeutscher Lakonie waren ursächlich am Emotions-Gebläse der Nazis beteiligt: Autor Reinecker und Horst Tappert gehörten beide der Waffen-SS an.

Auch die einzelnen Folgen der neu aufgelegten Folgen von EFFZ sind in sich abgeschlossen. Doch was das Privatleben der Ermittler und deren Backstory angeht, sieht es anders aus. Privatdetektiv Leo Oswald (Wanja Mues) hat eine dubiose Vergangenheit. Und Anwalt Benni Hornberg (Antoine Monot jr.) ist als Spezialist für Versicherungsrecht zumindest anfangs heillos überfordert von den Mordfällen. Und er ertappt seine Frau in der Pilot-Episode beim Seitensprung. Ach ja: Hornberg und Oswald sind alte Jugendfreunde. Und der eine trägt dem anderen noch einiges von damals nach.

Das alles ist punkto Figurengestaltung zwar noch nicht ganz auf dem Level von «The Wire». Aber es ist genug, dass Reinecker, Ringelmann und Tappert sich im Grab umdrehen würden – synchron. Und die Fähre Dienstagskrimi könnte all den «Aufschneiderbooten» zumindest vorübergehend etwas die Schau stehlen.

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