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Spielfilm «Schwesterlein» mit Nina Hoss und Lars Eidinger
Aus Kontext vom 02.09.2020. Bild: imago images / Prod.DB
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Film «Schwesterlein» Selten wurde eine Zwillingsbeziehung so eindrücklich dargestellt

Der Schweizer Oscar-Kandidat: Im Spielfilm «Schwesterlein» kämpft eine Autorin um das Leben ihres Zwillingsbruders.

In «Schwesterlein» spielt der deutsche Filmstar Nina Hoss Lisa, die Zwillingsschwester von Sven. Sven ist – wie sein Darsteller Lars Eidinger – der grosse Star der Berliner Schaubühne.

Das Theater war einst auch Lisas Welt. Sie hat erfolgreiche Stücke geschrieben. Ihr Ex David (Thomas Ostermeier) ist seit vielen Jahren Svens Regisseur.

BAK schickt «Schwesterlein» ins Oscar-Rennen

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Kurz vor Kinostart war es amtlich: Das Bundesamt für Kultur reicht «Schwesterlein» bei der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Hollywood in der Kategorie «International Feature Film» ein.

Im Februar 2021 wird sich dann zeigen, ob der Film auf der Short List der für einen Oscar-nominierten Filme stehen wird.

Der Moment, der alles verändert

Mittlerweile hat Nina Martin (Jens Albinus) geheiratet und ist mit ihm in die Schweiz, nach Leysin, gezogen. Er leitet dort eine renommierte Privatschule. Sie hat zwei Kinder.

Die Zeit in Leysin sollte temporär sein, eine Rückkehr nach Berlin war stets geplant – zumindest Lisa hat das immer so verstanden. Doch dann erkrankt Zwillingsbruder Sven an Leukämie, braucht eine Knochenmarktransplantation und Lisa fliegt ohne ihre Familie sofort nach Berlin.

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Ausschnitt aus «Schwesterlein»
Aus Kultur Extras vom 24.02.2020.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 4 Sekunden.

Verbindung und Verdrängung

Es sind Szenen wie diese, die im Film der beiden Schweizer Regisseurinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, die symbiotische Verbindung der Zwillinge noch stärker sichtbar macht: Lisa liegt auf einem Spitalbett, ihr wird Blut abgenommen. In der nächsten Einstellung: Sven im Isolationszimmer am Tropf. Das Bild ist so aufdringlich wie stark. In beiden Geschwistern fliesst das gleiche Blut.

Die Regisseurinnen

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Stéphanie Chuat und Véronique Reymond kennen sich seit dem elften Lebensjahr. Beide haben am Konservatorium von Lausanne und an der Scuola Teatro Dimitri im Tessin studiert.

Sie gründeten ein Kinder- und Jugendtheater und realisierten gemeinsam unterschiedliche Kurz- und Dokumentarfilme. Ihr Film «Schwesterlein» feierte auf der Berlinale 2020 seine Weltpremiere.

Dem Kampf um das Leben ihres Zwillingsbruders ordnet Lisa alles unter. Sie nimmt ihn zur Erholung mit nach Leysin, bemüht sich krampfhaft, das Sterben des Bruders zu verdrängen.

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Ausschnitt aus «Schwesterlein»
Aus Kultur Extras vom 20.02.2020.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 1 Sekunde.

Lichtsignale mit der Nachttischlampe

«Schwesterlein» ist ein echter Ensemble-Film und garantiert starkes Drama. Die legendäre Schweizer Schauspielerin Marthe Keller hat mehrere grossartige und rührend komische Auftritte als überforderte Mutter der Zwillinge.

3 Fragen an die Filmemacherinnen

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Schon in Ihrem Film «La petite chambre» ging es um Tod und Abschied. Warum jetzt wieder?

Véronique Reymond: Weil es unzählige Facetten davon gibt. Während Rose in «La petite chambre» die Trauer über einen Verlust annehmen musste, verdrängt Lisa in «Schwesterlein» schon im Vorfeld die Möglichkeit, dass ihr Bruder sterben könnte. Den Abschied vom Bruder schafft Lisa schliesslich nur, indem sie ihre eigene Kreativität wiederfindet.

Warum haben Sie sich entschieden, den Film aus Lisas Perspektive zu erzählen?

Stéphanie Chuat: Lisa ist zur Gefangenen ihres eigenen Lebens geworden. Sie ist zwar Mutter, Lehrerin und Rektorengattin - aber vor allem eine Frau, die nicht mehr schreibt. Mit ihren Versuchen, Sven über das Schreiben zu retten, rettet sich Lisa schliesslich selber.

Wirkt Kunst also therapeutisch?

Véronique Reymond: Ja. Auch für uns persönlich ist es eine Notwendigkeit, zu schreiben. Noch wichtiger als diese Selbsttherapie ist aber die universelle Seite davon. Dass wir die Möglichkeit haben mit Hilfe des Schreibens, den Glauben zu festigen, dass die Liebe stärker ist, als der Tod.

Ebenso mitreissend: Die Dynamik zwischen Lisas Mann und Sven und die zwischen Sven und den Kindern, die ihren Onkel lieben.

Am stärksten aber ist die Zeichnung der Bindung zwischen den Geschwistern: Lichtsignale mit der Nachttischlampe, die gemeinsamen Erinnerungen. Svens Feststellung «Du hast aufgehört zu schreiben, an dem Tag, als ich meine Diagnose bekam.» Lisas stillschweigende Bestätigung mit nur einem Blick.

Filmstill: EIn junger Mann und eine junge Frau blicken auf eine ältere Frau, die sich an den Kopf greift.
Legende: Starkes Stück, starke Schauspieler – und kein Grund, sich an den Kopf zu fassen. Praesens Film

Lisa, die Leise

Das vielleicht einzige nicht ganz überzeugende Element, im sonst so starken Film: Lisas verzweifelte Versuche, ihren Bruder mit einem von ihr für ihn geschriebenes Theaterstück am Leben zu halten. Vielleicht überzeugt es nicht, weil wir Lisa als Autorin nie kennenlernen.

Filmstart: 03.09.2020

Kontext, Radio SRF 2 Kultur, 3.9.2020, 9.05 Uhr;

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