Noch im letzten Juni tingelte ein gut gelaunter Alan Rickman durch die Medien. Er hatte zum zweiten Mal in seinem Leben die Regie eines Films übernommen und war sichtlich stolz auf das Ergebnis. In «A Little Chaos» inszenierte er Kate Winslet als Gärtnerin und sich selbst als Sonnenkönig Louis XIV. Dass sich das Kritikerlob für die etwas verstaubte Romanze eher in Grenzen hielt, schien ihm nichts auszumachen – er hatte seinen Spass beim Promoten des Films, und das sah man ihm an.
Über Nacht zum Filmstar
Alan Rickman war ursprünglich ein solide ausgebildeter Theaterschauspieler, ein Mitglied der Royal Shakespeare Company mit gelegentlichen Auftritten in britischen Fernsehserien. 1988 wurde er in der Rolle des grössenwahnsinnigen Hans Gruber in «Die Hard» quasi über Nacht zum Filmstar. Seine unvergleichliche Diktion, seine hypnotisierende Stimme, seine bis ins Detail einstudierte Mimik und Gestik machten aus Gruber einen herrlich diabolischen Filmbösewicht, den man am Schluss nur ungern von einem Hochhaus in den Tod fallen sah – weil man ihn sich für die Fortsetzung zurückwünschte.
Hans Gruber war tot, aber Alan Rickman war nun in aller Munde. In «Robin Hood: Prince of Thieves» (1991) mit Kevin Costner durfte Rickman als Sheriff von Nottingham ein zweites Mal als grotesker Bösewicht auftreten. Seine gebrüllten Sätze wie «I'll cut your heart out with a spoon!» oder «No more merciful beheadings! And call off Christmas!» haben noch heute Kultstatus. Als er für diese Rolle einen BAFTA-Preis als bester Nebendarsteller erhielt, sagte er in seiner Dankesrede scherzend: «Diese Statuette wird mich immer daran erinnern, dass Subtitilität auch nicht alles ist.»
Komplexe und vielschichtige Figuren
Dass er aber auch vielschichtige und komplexe Figuren spielen konnte, bewies er etwa im zu Unrecht verkannten Liebesdrama «An Awfully Big Adventure» (1995). Darin trat er als Theaterschauspieler in einer Peter-Pan-Aufführung als Captain Hook auf, während er hinter den Kulissen ein 16-jähriges Mädchen verführte. Rickman füllte diese Rolle mit der gewohnten Theatralik, aber auch mit den feinen, ernsten Tönen, welche diese tragische Rolle verlangte.
1997 führte Rickman erstmals Regie: «The Winter Guest» war die Verfilmung eines schottischen Theaterstücks, in dem er einen Gastauftritt absolvierte. Neben vielen dramatischen Rollen war Rickman aber stets in der Lage, seine ernste Miene auch für komische Zwecke zu nutzen, etwa in «Dogma» und im unbezahlbar witzigen «Galaxy Quest» (beide 1999).
Nicht zu schade für Nebenrollen
Mit der Jahrtausendwende kam die Rolle des Professors Severus Snape in der «Harry Potter»-Filmreihe – und damit ein Engagement, dass zehn Jahre dauern sollte. Rickman war sich auch sonst nie zu schade für Nebenrollen und kleinere Auftritte in Ensemble-Stücken wie «Love Actually» (2003). Nach «Harry Potter» fand er jedoch nicht mehr wirklich zu grossartigen Projekten zurück. In der vulgären Komödie «Gambit» (2013) überraschte er mit einem langen Nacktauftritt – einer der raren Filme, die selbst er nicht retten konnte.
In Erinnerung bleiben wird ein Schauspieler, der haargenau verstand, wie man Tragik aus Komik und Komik aus Tragik machen konnte. Und einer, der obwohl sein Spiel stets durchkomponiert und effektbestimmt wirkte, einen völlig natürlichen Charme ausstrahlen konnte. Vermutlich, weil er seine Arbeit über alles genoss.
Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 14.1.2016, 16:30 Uhr.