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Film & Serien Als Gangster noch Kinohelden waren

In den frühen 30er-Jahren war das Genre des Gangsterfilms sehr populär. Nicht ohne Grund: Wegen der Weltwirtschaftskrise glaubten viele, dass man nur als Verbrecher zu Wohlstand gelangen konnte. Der Outlaw als Karrierevorbild – Moralhüter und Zensoren waren entsetzt.

Blei spuckende Maschinengewehre, fluchende Kerle mit Hut, Polizeisirenen, Frauenschreie, zerplatzende Whiskeyflaschen auf dem Asphalt – der Gangsterfilm ist laut, sehr laut. Als Stummfilm kaum vorstellbar. Hollywoods böse Buben der 1930er, das sind drei Charakterköpfe, die mit drei Kinohits Filmgeschichte geschrieben haben: James Cagney in «Public Enemy», Edward G. Robertson in «Little Cesar», Paul Muni in «Scarface». Die ersten Anti-Helden. Typen ohne Moral. Brutal und aufs schnelle Geld aus. Und doch waren sie die Lieblinge des Kinopublikums.

Der «Chicago-Typewriter»

Chicago-Typwriter: Schauspieler Paul Muni mit der Thompson-Maschinenpistole.
Legende: Chicago-Typewriter: Schauspieler Paul Muni mit der Thompson-Maschinenpistole. United Artists

Die Gangsterfilme reflektierten die Schlagzeilen der damaligen Zeit. Zwischen 1920 und 1933 herrschte in den USA ein landesweites Alkoholverbot. Geistige Getränke durften weder hergestellt noch verkauft werden. Die Menschen tranken trotzdem und Verbrecherbanden sorgten für Nachschub. Der Konkurrenzkampf der Gangster wurde mit dem «Chicago-Typewriter» – der Chicagoer Schreibmaschine – ausgetragen. So lautete der Spitzname des Thompson-Maschinengewehrs, jener ikonischen Waffe mit dem runden Magazin.

Einer der berühmtesten Gangster war Al Capone, der sein Geld mit Alkohol und Prostitution machte. In den 30ern war er ein berühmt-berüchtigter Medienstar. Hollywood soll mehrfach bei ihm angefragt haben, ob er in einem Gangsterfilm mitspielen wolle. Er sagte immer ab. 1932, als der Big Boss im Knast landete, kam der Gangsterfilm «Scarface» in die Kinos. Er basierte auf der Karriere von Al Capone. Die Legende besagt, dass er diese Baller-Orgie über sich sehr gemocht haben soll und sogar eine eigene Kopie davon besass.

Der Killer-Kapitalist

Gangsterboss Al Capone mit Hut und Mantel.
Legende: Der echte Al Capone. Hollywood-Stars wie Robert De Niro oder Jason Robards verkörperten ihn auf der Leinwand. Keystone

Die Menschen verehrten damals die Gangster, weil sie den Alkohol brachten, den jeder wollte. Weil sie Banken überfielen, die man für die Weltwirtschaftskrise und die daraus folgende Armut verantwortlich machte. Die harten Kerle wurden verehrt, weil sie in schlechten Zeiten mir nichts dir nichts zu Geld kamen und in Luxus schwelgten. Davon träumte der durchschnittliche Kinozuschauer, bei dem das Geld knapp war.

Der Gangster verkörperte auf gewisse Weise die grossen amerikanischen Werte. Er war frei. Regeln, Gesetze galten nicht für ihn. Die Regierung war ihm egal. Er nahm sich, was er brauchte. Für den finanziellen Erfolg riskierte er alles. Viele sahen im Gangster einen ungebundenen Unternehmer, der sich den amerikanischen Traum erfüllte.

Klassiker und Vorbilder

So schnell wie der Gangsterfilm die Leinwand eroberte, verschwand er auch wieder. Das lag vor allem daran, dass eine neue gegründete Behörde ab Juni 1934 für die Durchsetzung des sogenannten «Production Code» sorgte. Laut diesen Richtlinien für die Filmstudios durften Gangster keine Kinohelden sein. Die berühmten Schurkendarsteller der 30er wie James Cagney und Humphrey Bogart sattelten um. Sie prügelten und schossen weiter auf der Leinwand, jetzt aber als Polizist oder Privatdetektiv.

Die Filmgangster der 1930er haben sich in die Filmgeschichte geballert. Die schwarz-weissen Schurken mit dem Chicago-Typewriter im Anschlag waren die ersten Anti-Helden, lange bevor die in den 1970er-Jahren en vogue wurden. Ohne Cagney und Co. wären «Bonny and Clyde», «Der Pate» 1-3, «Good Fellas» und andere Filme der 1960er-, 1970er- und frühen 1980er-Jahre nicht denkbar gewesen.

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