Als Terry Gilliam und Autor Pat Rushin «The Zero Theorem» entwickelten, sei das noch Science-Fiction gewesen. Unterdessen habe die Realität aufgeholt – so Terry Gilliam über seinen Film.
Das mag sein. Aber im Prinzip ist «The Zero Theorem» vor allem Nostalgie. Bei der Welturaufführung am Filmfestival in Venedig 2013 reichte es gerade für eine spezielle Erwähnung beim «Future Film Festival Digital Award».
Mathematischer Beweis für die Sinnlosigkeit
Christoph Waltz spielt mit Hingabe und ohne Haare den Zahlenschieber Qohen Leth, der zunächst im Betrieb und dann in Heimarbeit in einer ausgebrannten Kirche den mathematischen Beweis dafür sucht, dass das Universum sinnlos sei.
Das eine Paradox dabei besteht darin, dass sein Arbeitgeber, das Management, der Meinung ist, Chaos sei das ideale Geschäftsmodell – beziehungsweise natürlich die dagegen anzubietenden Ordnungsprinzipien. Und dass andererseits Qohen selbst nur noch eine einzige Lebensmotivation kennt: Er wartet auf einen Telefonanruf, der ihm den Sinn des Lebens erklären würde. Darum will er auch zuhause arbeiten, um den Anruf nicht zu verpassen.
Mit grossartigen Nebendarstellern
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Das wäre als Kurzfilm wahrscheinlich prägnanter. Auf epische Gilliam-Länge von 107 Minuten ausgedehnt funktioniert das Konzept nur noch bedingt und nur dank der gewohnt überbordenden gilliamschen Steampunk-Ausstattung sowie den diversen Kurzauftritten exzellenter Nebendarsteller.
Am schönsten ist dabei einmal mehr der Auftritt von Tilda Swinton. Wie schon in «Snowpiercer» spielt sie mit falschen Zähnen und irrer Diktion eine hinreissende Karikatur: die virtuelle Psychoanalytikerin ShrinkROM.
Die schöne Melanie Thierry dagegen hat wenig Gelegenheit, ihr Talent zu entfalten. Ihre Rolle ist die eines Online-Callgirls, das Qohen im Auftrag des Managements leistungsfähig halten soll – und sich in den Sonderling verliebt. Als Kleiderständer für Fetisch-Gugus ist die Französin eher verschwendet. Auch wenn ihr mit Christoph Waltz dann doch ein paar rührende Momente gelingen.
David Thewlis, Ben Wishaw und Matt Damon befeuern dann eher wieder den Nostalgie-Effekt: Dann, wenn man sie in Kurzauftritten sieht, die allesamt vor allem auf das gilliamsche Gesamtwerk verweisen – durchaus effektvoll und eindrücklich.
Wie ein prächtig-unheimliches Bilderbuch
Den interessantesten Part bei weitem hat der junge Lucas Hedges. Er spielt den Digital Native, das Whizz-Kid, den Sohn des Chefs, den einzigen, der sich dem System von Marionetten und Überwachung entzieht – indem er sich systemrelevant macht und beweglicher als die anderen. In seiner Begegnung mit dem ausgebrannten Qohen liegt das einzige wirklich frische Potential dieses Films. Und das kommt nur in wenigen Szenen gegen Ende zum Tragen.
«The Zero Theorem» ist eine Art Terry-Gilliam-Revue, ein Steampunk-nostalgisch ausgelegter Heimwehtrip nach «Brazil». Da aber die zentralen Themen von Überwachung, Sinnsuche, Ausbeutung und Manipulation hier dermassen auf Chiffren reduziert eingesetzt werden, stellt sich weder die Beklemmung von «Brazil» ein, noch ein nachhaltiger Aha-Effekt. Eher hat man das Gefühl, wieder einmal in einem prächtig-unheimlichen Bilderbuch aus früheren Tagen geblättert zu haben.