Pascal Merciers Roman «Nachtzug nach Lissabon» wurde weltweit in 32 Sprachen übersetzt und bestens verkauft. Ein Indiz dafür, dass sich das Buch übersetzen lässt.
Die Probleme mit der «Übersetzung»
Die «Übersetzung» in einen Film dagegen bedingt immer eine Entscheidung für die Reduktion auf einen Aspekt. In der Regel ist das die Handlung, der Plot, die Storyline. Wenn ein Buch darüber hinaus noch mit sprachlicher Aesthetik operiert, mit philosophischen Gedanken, kurz, mit reinen Ideen - dann wird es schwieriger. Aber nicht unmöglich, wie Bille August beweist.
Der Film setzt ähnlich ein wie das Buch, in Bern, wo Lateinlehrer Raimund Gregorius den Brückensprung einer jungen Frau verhindert und dabei das Buch eines portugiesischen Arztes in die Finger bekommt. Da Gregorius von Jeremy Irons gespielt wird, spricht er Englisch. Auch mit seinen Lateinschülern am Berner Gymnasium. Und auch mit dem von Hanspeter Müller-Drossaart gespielten Rektor, der folglich ebenfalls Englisch spricht und Kagi heisst.
Das Problem mit der Sprache
Gregorius nimmt den titelgebenden Nachtzug, und schnell zeigt sich, dass auch in Portugal alle Englisch sprechen. Mal mit mehr, dann wieder mit weniger Akzent. Am meisten Akzent hat Bruno Ganz, der die alte Version von Doktor Amadeus’ Freund Jorge spielt. Als er noch jung war und in den Rückblenden von August Diehl gespielt wurde, war sein Akzent weniger ausgeprägt.
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Nun ist es selbstredend müssig, sich über solche Konventionen (die man früher dem sogenannten Europudding zuschrieb) aufzuregen. In den meisten Ländern kommt der Film ohnehin synchronisiert ins Kino. Was dann allerdings auf der Strecke bleibt, ist die wunderschöne Stimme von Jeremy Irons. Das macht nichts, solange er auf der Leinwand zu sehen ist. Wird aber schmerzlich fehlen bei all jenen Passagen aus dem Buch, die er aus dem Off als Erzähler beiträgt. Denn da kommt die sprachliche Musik zum Tragen, die literarische Qualität eines Buches.
Wo die sprachliche Form allerdings bei der Lektüre das eigentliche tragende Element bildet, wird dieser Off-Kommentar im Film zu einer Art zweitem Score, eingesetzt eher wie Stimmungsmusik. Man lauscht der Stimme von Jeremy Irons und verfolgt zugleich das Geschehen auf der Leinwand. Was er sagt, klingt in den Ohren nach, auch wenn es sich im Kopf nicht festzusetzen vermag: Da sind ja schon die Bilder.
Grosse Namen gleich grosses Kino?
Klingende Namen sind gut, um das Publikum ins Kino zu locken. Und viele klingende Namen in einem einzigen Film, das lässt auf Qualität schliessen. Allerdings besetzt man in aller Regel nicht ohne Grund die Nebenrollen mit sogenannten Charakterdarstellern, jenen Profis, die man immer wieder sieht und liebt, aber meist nicht bei Namen kennt.
Denn wenn, wie in diesem Film, die Kirchentür aufgeht und Dracula herauskommt, dann ist das erst mal irritierend. Dabei spielt Christopher Lee den alten Priester ganz eindrücklich. Und auch Bruno Ganz hat schöne Szenen als versoffener, schachspielender alter Jorge. Was kann er denn dafür, das man im ersten Augenblick das Gefühl hat, da stehe Hitler rauchend im Bild?
Stars wie Bruno Ganz bringen für Nebenrollen einfach zu viel Gepäck mit. Man kann sie in ihrer Rolle nicht sorgfältig einführen, sie tauchen zu einem Zeitpunkt auf, wo man im Film eigentlich längst zuhause sein sollte, und erinnern einen daran, dass man im Kino sitzt.
«Nachtzug nach Lissabon» ist ein sorgfältig und professionell gemachter Film. Die komplexe Erzählstruktur des Romans findet ihre Entsprechung in einem angemessen weniger komplexen Vor- und Zurück zwischen den filmischen Zeitebenen. Die sprachlichen Finessen haben zumindest ein stellvertretendes Echo auf der Tonspur. Und die eigentliche Erzählung verwebt sich nachvollziehbar mit dem Situation der Figuren.
Ein Film mit ähnlichen Formeln wie das Buch
Aber das hilft nicht darüber hinweg, dass dieser Film eine Art Generikum darstellt: Mit den gleichen Substanzen, die im Originalprodukt enthalten sind, soll er die gleiche Wirkung erzielen – bloss billiger. Und damit sind nicht die Produktionskosten gemeint, sondern der Aufwand beim Publikum.
Das ist legitim und gehört zu jenen Dingen, die das Kino sehr gut zu leisten vermag. Wer das Buch mochte, findet hier eine Art Erinnerungsalbum zum Schwelgen. Wer das Buch nicht mochte, wird auch mit dem Film nichts anfangen können. Und wer das Buch gar nie gelesen hat, bekommt vielleicht sogar Lust darauf.