Der Spaghetti Western hat tolle Filme hervorgebracht aber auch Machwerke, die eine wahre Zumutung sind. «Blindman» von Regisseur Ferdinando Baldi ist weder toll noch eine Zumutung, eher die Karikatur des Genres. Bereits der Titel verrät, was wir erwarten dürfen, einen blinden Revolverhelden. Das ist natürlich abwegig und macht klar, dass bereits im ersten Jahr des Schlaghosen-Jahrzehnts den Handwerkern des Genres die Ideen ausgegangen waren. Also bediente man sich dort, wo sich schon Sergio Leone für «Un pugno di dollari» bedient hatte - beim Samurai-Film.
Abgekupfert in Japan
In Japan war von 1962 bis 1974 Shintaro Katsu als blinder Masseur und Schwertkämpfer Zatôichi in 26 Spielfilmen und einer vierstaffeligen Serie zu sehen. Ein blinder Schwertkämpfer und Masseur freilich ist immer noch glaubwürdiger als ein sehmüder Gunslinger und Haremswächter. Wie dem auch sei: Glücklich darüber eine Idee zu haben, wird in «Blindman» fröhlich weiter gesponnen – wobei nie klar wird, wohin die Reise eigentlich geht.
Der Blinde trifft immer
Ach so, beinahe hätte ich sie vergessen, die Geschichte. Blindman (Tony Anthony), sucht 50 junge Frauen (Mary Badin, Dominique Badou, Carla Brait, Shirley Corrigan, Giuliana Giuliani, Katerina Lindfelt, Malisa Longo, Alice Mannell u.a.), die man ihm gestohlen hat und die er gerne zurück hätte, weil er sie Bergarbeitern verkaufen möchte. Wer jetzt vermutet, dass der Film misogyne Züge trägt, irrt nicht.
Der Grund-Tenor des Films ist glücklicherweise ironisch, die Komik allerdings meist unfreiwillig. Es wäre jedoch eine Lüge, zu behaupten, dass man, allein bei der Vorstellung eines blinden Gunmans nicht schmunzelt. Die ersten Minuten des Films lassen einen nur staunen. Da dreht unser blinder Held, in einem andalusischen Kaff und eine gefühlte Ewigkeit lang, Pirouetten auf seinem Pferd, vermutlich damit wir sehen, dass er nicht sieht wohin er reitet. Danach schiesst er neun Mal auf die Kirchenglocke und - trifft. Da schlägt der Logik die Stunde. Als Zuschauer freilich fragt man sich, in was für einen Film man da eigentlich geraten ist.
Der Pferdeflüsterer
In der nächsten Sequenz wird das Geheimnis der Fortbewegung des Blinden in der weiten Landschaft gelöst. Blindman zu einem Hufschmied: «Wo liegt Mexiko?» «Wie soll ich es dir zeigen, du bist blind.» «Zeig’s dem Pferd». «Wieher!»
Kaum in Mexiko angekommen, streckt unser Held vier Pistoleros nieder, noch bevor die zur Waffe gegriffen haben. Als ein Fiesling, gespielt von Ringo Starr und besser bekannt als Metronom der Beatles, etwas später wissen möchte, wer seine Kumpel erschossen hat, gesteht Blindman: «Ich habe es nicht gesehen.» Wahre Helden lügen nicht.
Blindman stürzt sich zwar todesmutig Treppen hinauf und hinab, ansonsten legt er auch kurze Strecken zu Fuss nur an Sehende, oder an den Schwanz seines Pferdes, geklammert zurück; vermutlich um nicht Kakteen um- und Wände einzurennen.
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Und gleich kommt Rambo um die Ecke
Es wäre fies, eine weitere Besonderheit des Films zu unterschlagen: Die Frisuren und Kostüme der Bösewichte. Hier findet sich eine zukunftsweisende Mischung aus post-apokalyptisch und post-Rambo. Das ist dermassen irritierend, dass man nicht erstaunt wäre, wenn Rambo und Max der Verrückte in Kampfvehikeln am Horizont auftauchen würden - zehn Jahre vor ihrer Zeit, wohlgemerkt! Vermutlich fährt Regisseur Baldi einen DeLorean.
Zu lang und zu blöd, aber limitiert
Auch wenn «Blindman» beweist, dass die Italiener ein Talent für das Exploitation Genre haben - für eine Westernkomödie ist der Film zu lang und für einen klassischen Western einfach zu blöd.
Wer den Film unbedingt sehen möchte, muss sich allerdings beeilen. Die ungeschnittene Originalversion von «Blindman» ist in streng limitierter Sonderauflage von 33 Exemplaren bei Koch Media erschienen.