Der mehrfach preisgekrönte Lausanner Regisseur Jean-Stéphane Bron porträtiert in seinem neuen Film den wohl gleichzeitig meistgeliebten und meistgehassten Politiker der Schweiz: SVP-Patron Christoph Blocher. Dass Bron mit seinem Blocher-Porträt anecken würde, war wegen der Wahl des Sujets von Beginn weg klar.
Im Gespräch mit SRF erklärt er die Absicht, die hinter dem Dokfilm «L’expérience Blocher» steckt: Er wolle der Schweiz mit einer Art Psychoanalyse von Christoph Blocher den Spiegel vorhalten und damit eine breite Diskussion entfachen.
SP-Nationalrätin als Gastkritikerin
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Da Jean-Stéphane Bron kritischen Widerstand begrüsst, haben wir SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer als Gastkritikerin in die Pressevisionierung geschickt. Also genau die Politikerin, die Sinn und Zweck von Brons Filmprojekt schon vor der Premiere in Locarno in Frage gestellt hatte.
Ohne die Doku gesehen zu haben, gab sie damals zu Protokoll, dass ein Blocher-Film schon aus Prinzip nicht vom Bund finanziert werden dürfe. Mit dieser Aussage stiess sie in der Kulturszene auf heftigen Widerstand – vor allem, weil sie zugleich ein Mitspracherecht für die Politik forderte.
Nach der Premiere auf der Piazza Grande von Locarno verschob sich der Fokus der Diskussion dann allerdings rasch. Statt über die Finanzierung wurde nun über die Qualität des Films gestritten. Nur in einem Punkt waren sich fast alle Kritiker einig: Dass der politisch links stehende Bron durch seine filmische Annäherung nicht vom charismatischen Rechtspopulisten umgepolt wurde. Manche Kritiker vermuteten daher, dass Susanne Leutenegger Oberholzer ihre Meinung ändern würde, sobald sie «L’expérience Blocher» gesehen hat.
Glorifizierung oder gewagtes Kino-Experiment?
Doch weit gefehlt: Susanne Leutenegger Oberholzer zeigte sich nach der Basler Pressevisionierung vielmehr schockiert von Brons Film. Sie bezeichnete diesen gar als Heldenepos, das Blocher glorifiziere. Man darf gespannt sein, wie viele Zuschauer diese radikale Lesart der Doku teilen werden. Zumal auch Jean-Stéphane Bron seine jüngste Regiearbeit als Rorschachtest bezeichnet, bei dem die Interpretation des Betrachters die entscheidende Rolle spielt.
Wichtiger als die Rezeptionshaltung des einzelnen Zuschauers ist dem zweifachen Träger des Schweizer Filmpreises die künstlerische Freiheit eines Werks. Gewagte Kino-Experimente, wie er sie nun mal gerne drehe, seien nur in einer Demokratie möglich. Zur Stärkung der Meinungsvielfalt sei es daher nicht nur richtig, sondern auch wichtig, Filme wie «L’expérience Blocher» zu fördern.