«Basierend auf realen Menschen in einer surrealen Welt» verspricht der Vorspann. «Who Killed Johnny» kokettiert mit seinem Reality-Touch und doch ist von Beginn weg klar, dass Regisseurin Yangzom Brauen mit ihrem Spielfilm-Debüt nicht auf naturalistische Wirklichkeitsnähe sondern ironische Komik zielt. Melanie Winiger, Carlos Leal und Max Loong spielen nicht wirklich sich selbst, sondern nehmen ihr Image auf die Schippe. Winiger gibt die politisch unkorrekte Rotzgöre, Leal den perfektionistischen Egomanen, Loong den oberflächlichen Strahlemann.
Wer soll hier wen umbringen?
Da gute Rollenangebote ausbleiben, versuchen die drei Exil-Schweizer im Film mit einem eigenen Drehbuch in Hollywood den Durchbruch zu schaffen. Doch wie dieses aussehen soll, darüber sind sich die drei radikal uneins. Winiger will blanken Realismus, Loong blanke Brüste zeigen und Leal weiss sowieso alles besser. Die Schlüsselszene wird darum immer wieder umgeschrieben: Mal fliesst mehr, mal weniger Blut. Mal spielt Winiger die Täterin, mal das Opfer.
Noch bevor sich die drei geeinigt haben, wer im Film wen umbringen soll, taucht eine echte Leiche auf. Weil sie Johnny Depp gleicht, wird sie sogleich in die Handlung eingebunden. Der Star verleiht der Produktion genau das internationale Flair, das dem Film bislang gefehlt hat – so sind sich für einmal alle einig. Ausserdem nervt eine Leiche nicht mit überrissenen Gagenforderungen.
Schweizer «Existenz-Krämpfe»
Neu ist diese Idee nicht, doch immerhin wird sie genüsslich durchexerziert. Schade, dass der Film dabei nicht nur die Titel-Frage «Who Killed Johnny» völlig ausser Acht lässt, sondern auch seinen anfänglichen Realismus-Touch. Plötzlich stehen nicht mehr die Existenz-Kämpfe der prominenten Auslandschweizer im Vordergrund, sondern die Tücken beim Dreh mit einer Leiche.
Die stärksten Momente hat die 75 Minuten kurze Komödie, wenn ihre Hauptfiguren Carlos Leal und Melanie Winiger wirklichkeitsnah agieren. Beispielsweise wenn die prominente Auslandschweizerin keck über ihre «Existenz-Krämpfe» in Hollywood philosophiert: «Jeder in der Schweiz hat einen Traum, aber niemand hat die Eier, ihn umzusetzen. Wer‘s doch wagt, wie wir Idioten, wird belächelt.»
Schweizer in Hollywood: keine Erfolgsstory
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Schweizer Schauspieler in Hollywood – das ist bislang keine Erfolgsgeschichte. Carlos Leal, Nebendarsteller in «Casino Royale», gehört zu den Wenigen, die ihren Traum wenigstens annähernd verwirklicht haben.
Melanie Winiger, die letztes Jahr bereits den zweiten Versuch gestartet hat, in Amerika Fuss zu fassen, wartet immer noch auf ihren Durchbruch. Und auffällig viele Models und Missen haben sich – trotz des fast schon rituellen Besuchs der renommierten Lee-Strasberg-Schauspielschule – im letzten Jahrzehnt die Zähne an der Traumfabrik ausgebissen.
Lauriane Gilliéron, Dritte bei den Miss-Universe-Wahlen 2006, spielt höchstens mal eine Tote in einem US-Krimi. Und Ex-Model Florine Elena Deplazes hat sich zwar eine Rolle im Oliver-Stone-Film «Savages» ergattert, wurde dann aber in der Endfassung fast komplett herausgeschnitten.
Nur 50'000 Dollar Produktionskosten
Misserfolg schweisst zusammen. Nicht zuletzt deshalb hilft man sich innerhalb der Schweizer Hollywood-Fraktion. Melanie Winiger, Carlos Leal und Co. verzichteten für das Regie-Debüt ihrer Schauspiel-Kollegin Yangzom Brauen auf eine Gage. Die Tiefstpreis-Produktion «Who Killed Johnny» hat lediglich 50'000 Dollar gekostet. Finanziert wurde der in acht Tagen gedrehte pseudo-dokumentarische Spielfilm via Spendenaufruf im Netz.
Klar ist dabei manches missglückt. Der dilettantische Charme passt aber perfekt zur Handlung rund um eine unbeholfene Schweizer Film-Crew. Allein schon wegen dieser Doppelung ist der selbstironische Streifen einen Kinobesuch wert.