Ein Blick in die Augen der Titelfigur genügt und man weiss: diese Frau hat Schlimmes erlebt. Anna - eine verwundete Seele, die sich langsam an das verdrängte Grauen herantastet, das ihr kürzlich widerfahren ist. Nach ein paar Drinks wacht sie neben der Leiche eines Mannes auf, den sie nur wenige Stunden zuvor kennengelernt hat. Der pure Horror.
Alles andere als ein plumpes Remake
Kein Albtraum dagegen ist die Kinofassung von Barnaby Southcombe. Der bildstarke Neo-Noir «I, Anna» unterscheidet sich stark von der deutschen Erstverfilmung «Solo für Klarinette». Dieser fiel 1998 bei Publikum und Kritikern durch. Von einem plumpen Remake kann also nicht die Rede sein - eher von einer stimmigen Neuinterpretation des Romans.
Bei Charlotte Ramplings Performance bleibt einem einmal mehr die Spucke weg. Gabriel Byrne bleibt als moderner Film-Noir-Detektiv dagegen ungewohnt blass. Vielleicht, weil «I, Anna» sich - wie die Romanvorlage - ganz auf seine Titelheldin konzentriert. Oder, wie es Regisseur Barnaby Southcombe ausdrückt: «von der Psyche einer Femme Fatale erzählt, die sich mit den üblichen Deutungsmustern nicht erfassen lässt.»
Ein gebrochenes Handgelenk als Stilmittel
Um seine berühmte Mutter an Bord zu holen, musste Barnaby Southcombe das Kompromisse eingehen und seine erste Skriptfassung stark überarbeiten. Der Dreh selbst sei dagegen konfliktfrei verlaufen. Mit einer Ausnahme ganz zu Beginn: als Charlotte Rampling mit eingegipsten Arm zur Kostümprobe erschien. Sie hatte das Handgelenk bei einem Sturz gebrochen und dies ihrem Sohn verschwiegen. Mensch Mama!
Ein ganzes Wochenende lang dachte Southcombe nach: Ist der Film noch zu retten? Bis er merkte, dass diese Verletzung perfekt zu seiner gebrochenen Heldin passte. Ein echter Knochenbruch als raffiniertes Stilmittel. Charlotte Ramplings Unfall entpuppt sich als Glücksfall für den Film.