Krieg und Frieden im Animationsfilmschaffen? Man wittert einen diffusen Widerspruch, am ehesten versinnbildlicht anhand des berühmt-berüchtigten Disney-Cartoons « Der Fuehrer's Face » von 1942: Donald Duck, schlitzäugige Japaner und Adolf Hitler, Pickelhauben und Bajonette? Da kommen Dinge zusammen, die anscheinend nicht zusammengehören. «Der Fuehrer's Face» irritiert noch heute, zumal der Film keinerlei pazifistische Botschaft in sich trägt, sondern seiner Zeit entsprechend auf aggressive Weise Stimmung macht gegen die damaligen Feinde der USA.
Der älteste Stop-Motion-Animationsfilm
Gleich vorweg: «The Fuehrer's Face» wird am diesjährigen Fantoche nicht gezeigt. Das Festival hat zwar ein Kurzfilmprogramm mit diversen Streifen dieser Art im Angebot (es heisst « Gebt Geld! Propaganda für Kriegsanleihen »), doch der Fall Disney bleibt ausgeklammert – er ist ja auch bereits hinlänglich diskutiert worden.
Stattdessen macht man in diesem Programm eine erstaunliche Entdeckung: Der älteste erhaltene Stop-Motion-Animationsfilm überhaupt, « Matches: An Appeal » (1899), in dem ein Streichholzmännchen Wörter auf eine Wandtafel schreibt, war eine Aufforderung an die britische Bevölkerung, ihre Kriegstruppen zu unterstützen.
Nie waren sich Krieg- und Kinderfilme näher
Doch kommen wir auf den eingangs erwähnten «Widerspruch» zurück. Diesen gibt es natürlich nicht: Er beruht auf dem uralten Fehlschluss, Animationsfilme hätten idealisierte, kindliche Welten abzubilden, und die harte Realität habe darin nichts verloren. Und das ist doppelt falsch: Weder gibt es Themen, denen der Animationsfilm nicht gewachsen wäre, noch ist der Krieg ein Thema, das nicht in Kinderfilme gehört.
Nehmen wir ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Noch nie waren sich Kriegs- und Kinderfilme näher als etwa in den Verfilmungen der «Narnia»-Saga und anderen Werken im Bereich der Heroic Fantasy. In «Snow White and the Huntsman» wurde gar dem Schneewittchen eine Kriegsmontur übergestreift.
Dieser Trend ist eng mit den aktuellen Animationstechniken verknüpft: Noch nie war es einfacher, per Computergrafik ganze Armeen auf die Leinwand zu bringen und epische Schlachten zu inszenieren, ohne dabei von der Ästhetik her an die Hässlichkeit von realen Kriegsgräueln erinnern zu müssen.
Der Stift ist mächtiger als das Schwert
Diese Festellung betrifft hauptsächlich das US-Kommerzkino – während am Fantoche eher das weltweite, unabhängige Animationsfilmschaffen abgehandelt wird. Doch eine Konstante bleibt: Krieg und Animationsfilm gehören zusammen, weil animierte Filme nicht abbilden, sondern visuelle Entsprechungen und Interpretationen finden, oft auch auf der emotionalen Ebene. Somit sind sie das beste Mittel gegen die Abstumpfung gegenüber dokumentarischen Kriegsbildern.
Das Fantoche widmet dem Thema «Krieg und Frieden» fünf thematisch gegliederte Kurzfilmprogramme, einige Langfilme, zwei Ausstellungen in Badener Museen und eine ausführliche Gesprächsrunde, welche die Thematik auf verwandte Kunstformen wie Karikaturen und Game-Design ausweiten wird.
«The pen is mightier than the sword», sagt der Brite, der Stift ist mächtiger als das Schwert. Möge dies auch für den digitalen Zeichenstift gelten. Und bevor wir's vergessen: Es geht nicht nur um Krieg, sondern auch um Frieden.