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Film & Serien «Das merkwürdige Kätzchen» – ein faszinierendes Filmexperiment

Von der Berlinale über Cannes bis nach Toronto – der Film «Das merkwürdige Kätzchen» der Schweizer Ramon und Silvan Zürcher legte dieses Jahr eine erstaunliche Festivalkarriere hin. Das Besondere am Spielfilm: Die Macher pfeifen auf die Regeln des klassischen Erzählkinos.

Ein gewöhnlicher Samstag in einer Berliner Altbauwohnung. Simon und Karin sind bei den Eltern und der jüngeren Schwester Clara zu Besuch. Am Abend soll der Rest der Verwandtschaft zum Essen kommen. Die Vorbereitungen laufen. Doch dann passiert‘s: Die Kaffeemaschine rattert, die Katze schnurrt und eine Glasflasche wackelt.

In «Das merkwürdige Kätzchen» geht es um die scheinbar belanglosen Dinge und Mechanismen des Alltags. Im Film jedoch werden sie verfremdet, wirken kurios, beinahe unheimlich. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die namenlose Familie, in der stets eine unangenehme Spannung und passive Aggressivität herrscht.

Der merkwürdigste Dialog

«Was machst denn du da?» – «Ich guck mal, ob die Wunde so riecht wie sie aussieht. Wenn sie so riechen würde, würde ich den Geruch mögen.» – «Und, riecht sie so?» – «Nein.» – «Schade.»

Ein Gespräch zwischen Onkel und Tante beim Abendessen. Eines von vielen Beispielen für die künstlichen und irritierenden Dialoge innerhalb dieser Familie.

Fakten, die man wissen sollte

Die Familie beim Abendessen.
Legende: Die Familie beim Abendessen. Look now

«Das merkwürdige Kätzchen» ist ursprünglich ein Schulprojekt. Regiestudent Ramon Zürcher hat das Drehbuch im Rahmen eines Seminars an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin entwickelt. Die Aufgabe: eine freie Adaption von Kafkas Klassiker «Die Verwandlung».

Der Film wurde in einer baufälligen Wohnung in 33 Tagen gedreht. Das Produktionsbudget lag bei 12‘000 Franken, wobei die technische Ausrüstung und Infrastruktur von der Akademie gesponsert waren. Schauspieler als auch Techniker und Tiertrainer arbeiteten unentgeltlich. «Das merkwürdige Kätzchen» feierte im Februar seine Premiere an der Berlinale. Seither war das Werk der Schweizer Zwillinge an über 35 Filmfestivals auf der ganzen Welt zu sehen.

Der Regisseur

Ramon Zürcher, 31, ist in Aarberg (Bern) geboren. Er lebt und studiert seit sechs Jahren in Berlin, macht dort seinen Abschluss an der Deutschen Film- und Fernsehakademie. «Das merkwürdige Kätzchen» ist Zürchers erster Langspielfilm. Sein Stil: Minimalistisch, poetisch, sensibel.

Das Urteil

«Das merkwürdige Kätzchen» ist eine wahrhaft merkwürdige Angelegenheit. Mit ihrem Erstlingswerk brechen Ramon und Silvan Zürcher sämtliche Regeln des klassischen Erzählkinos. Da wäre zum einen die statische Kamera, die minutenlang denselben Ausschnitt fixiert und den Fokus aufs Nebensächliche legt. Zum anderen die künstlichen Dialoge, die schnell zu theatralischen Monologen werden. Und woran man sich gewöhnen muss: die fehlende lineare Handlung im 72-minütigen Langspielfilm.

Das Resultat ist spannend: ein Konstrukt aus Alltagsbanalitäten, Charakterporträts und ein Spiel mit Geräuschen, Farben und Handlungsabläufen. Originell und faszinierend! «Das merkwürdige Kätzchen» ist eine Art Kunstprojekt, das entweder helle Begeisterung oder grosses Stirnrunzeln auslöst. Als Abwechslung zum «gewöhnlichen Kino» absolut empfehlenswert.

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