Sie sind eine Kindheitserinnerung, die Sandalenfilme. Während der Sommerferien liefen sie im Fernsehen und auf allen, wenn auch wenigen, Kanälen. Der Held war Herkules oder Ursus, Samson oder Maciste. Es waren fantastische Abenteuer, die in einer Welt der Mythen und Legenden spielten und unter den Göttern des Olymp. Ein Universum mythologischer Kreaturen und Helden, die mit übermenschlicher Kraft ausgestattet waren. Von 1958 bis 1965 war der Sandalenfilm der Exportschlager des italienischen Kinos.
Neidische Blicke nach Hollywood
Die italienische Filmindustrie war auf der Suche nach einer Alternative zum klassischen Neorealismo, der sich in seinen letzten Zügen befand. Das Sozialdrama war als Sprachrohr der optimistischen Stimmung, die der Wirtschaftsboom in den 1950er- und 1960er-Jahren auslöste, nicht geeignet.
Das Publikum gierte nach Neuem. Es wollte sich nach den Jahren der Entbehrung und Armut, die dem Zweiten Weltkrieg folgten, wieder amüsieren. Neidisch schielte man nach Hollywood, auf die kolossalen Epen und die Stars der Traumfabrik. Das wahre Paradies der Italiener war in Technicolor.
Das italienische Kino freilich hatte weder die finanziellen Mittel noch die technischen Möglichkeiten der Filmfabrik jenseits des Ozeans. Man suchte eine Lösung, und fand sie in den Sandalenfilmen.
Recycling all‘italiana
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Beim Versuch etwas zu realisieren, das dem kolossalen Amerikanischen nahe kam, ohne auf italienische Eigenarten zu verzichten, warf man einen Blick zurück auf die Anfänge der Kinematografie. Anfangs des 20. Jahrhunderts hatte das italienische Kino mit Kostümfilmen grosse Erfolge gefeiert. Produktionen wie «La presa di Roma» (1905), «La caduta di Troia» (1911) oder «Quo Vadis?» (1912) hatten den Ruf des italienischen Filmschaffens begründet.
Der Glanz der Kostümfilme vergangener Tage sollte wieder aufleben. Zu lösen blieb die Frage der Finanzierung. Für die Italiener kein Problem. Das Zauberwort hiess: Recycling.
Was wie ein Widerspruch klingt: Die Filme, die sich «kolossal» nannten, waren in erster Linie kolossal billig. Kostüme, Bauten, Requisiten, szenische Effekte wurden von Film zu Film wiederverwendet. Teure Schlachtenszenen wurden einmal gedreht und dann immer wieder, passend zur neuen Geschichte, umgeschnitten.
Ende und Wiedergeburt
Der Output war gigantisch: Allein 1962 wurden 20 Sandalenschinken produziert. Die Folge absehbar: Nach sechs Jahren hatte sich das Publikum an der Antike satt gesehen. Die Sandalen mussten den Cowboystiefeln weichen.
Jahrzehnte später, zur Jahrtausendwende, bewies Ridley Scott Mut, als er «Gladiator» ins Kino brachte. Die Belohnung: Der Film war ein Renner. Vermutlich deshalb wurden 2004 mit «Troy» und «Alexander» gleich zwei weitere grosse Sandalenfilme auf den Markt geworfen. Denen war allerdings trotz Starbesetzung nur mässiger Erfolg beschieden. 2006 folgte das Schlachtenepos «300» und spielte 200 Millionen an der Kinokasse ein. Im TV war von 2010 bis 2013 die Serie «Spartacus» erfolgreich.
Dieses Jahr nun ist die Invasion der halbnackten Heroen perfekt: «300: Rise of an Empire» war hierzulande diesen Frühling zu sehen. Auch zwei Herkules Filme streiten um die Gunst der Zuschauer: «The Legend of Hercules» wird es wahrscheinlich nicht in die Schweizer Kinos schaffen, «Hercules» mit Dwayne «The Rock» Johnson kommt im Herbst. Der Sandalenschinken lebt – und wie.