Ruxandra Zenide ist Schweizerin und Rumänin. Sie lebt in Genf, hat ihr Handwerk in New York und in Prag studiert und sie war schon mit ihrem ersten Spielfilm «Ryna» von 2005 für den Schweizer Filmpreis nominiert. Nun ist sie wieder im Kino – mit einem kleinen Wunder. «Das Wunder von Tekir» heisst der zweite Spielfilm der 40-jährigen Filmmacherin.
Mysteriöse Schwangerschaft
Mara (Dorotheea Petre), eine junge Frau in einem rumänischen Fischerdorf, ist eine Figur zwischen den Welten. Sie führt die Tradition ihrer Mutter, einer Heilerin, weiter. Mit dem schwarzen Schlamm aus einem dampfenden See kann sie Schmerzen lindern.
Sich selber weiss sie allerdings nicht zu helfen, als sie schwanger wird, ohne einen Vater für das werdende Kind zu kennen. Im Dorf lasten ihr die Fischer die schwindenden Fangquoten an und wollen sie als Hexe verbrennen.
Der Dorfpfarrer (Bogdan Dumitrache) schickt sie fort, sie solle sich im Tekir melden, einem Wellness-Hotel in der Nähe. Da trifft Mara auf Lili, eine reiche Witwe, die sich nichts sehnlicher wünscht, als eine Schwangerschaft. Mit dem Schlamm glaubt Mara auch der kinderlosen Lili helfen zu können – aber alles kommt anders.
Vertuscht der Priester eine Affäre?
«Das Wunder von Tekir» ist ein geheimnisvoller, schwebender Film. Wie seine Hauptfiguren Mara und Lili – und übrigens auch der Priester, der sich um Mara sorgt – scheint er aus der Zeit gefallen. Mara wirkt wie eine archaische Figur, eine junge Schamanin.
Pater Andrei stellt sich gegen den mittelalterlichen Mob der Fischer, aber er schickt Mara zu ihrer eigenen Sicherheit trotzdem weg. Er will an das Wunder ihrer vaterlosen Schwangerschaft glauben, besucht daher auch seinen alten Lehrer im Priesterseminar. Aber der glaubt selbstredend, Andrei wolle bloss ein Verhältnis mit Mara vertuschen.
Zeitlich nicht einzuordnen
Lili dagegen ist eine abgebrühte, emanzipierte Frau, die lächelnd behauptet, sie habe beim Tod ihres reichen Mannes die Hand im Spiel gehabt. Sie fährt ein rotes Ford-Mustang-Cabriolet aus den 1970er-Jahren. Gleichzeitig verweist die ganze Jugendstilausstattung des Tekir-Hotels auf die frühen Jahre des letzten Jahrhunderts.
In dieser zeitlichen Unverortbarkeit des Films spiegelt sich die Situation der Figuren, die zwischen nüchterner Skepsis und ruhigem Glauben oszillieren. Lili, Mara und Pater Andrei sind auf der Suche, abwehrbereit und zeitenweise offen.
Gespielt wird Lili von der grossartigen US-Amerikanerin Elina Löwensohn, bekannt aus Filmen wie «Schindlers List», «Nadja» oder «The Wisdom Crocodiles», die in diesem Film endlich einmal ihre rumänische Muttersprache sprechen darf.
Ein erhellender Rausch
Regisseurin Ruxanda Zenide inszeniert einfach und direkt, selten sind mehr als drei Figuren im Bild. Und die kaum vorhandene Musik trägt zur magischen Stimmung bei, wenn sie in bestimmten Momenten fremdartig und bedrohlich aufklingt und gleich wieder verschwindet.
«Das Wunder von Tekir» ist ein Film, der einem in den Kopf steigt wie ein feiner Nebel, unbeirrbar, selbstbewusst, magisch und dadurch stets auch ein wenig bedrohlich, ein erhellender Rausch, in den sich immer wieder blubbernd seltsam riechende Schlammgase mischen.
Kinostart: 14.07.2016