«Du bist wie ein Tier, das seine eigenen Exkremente frisst» – Hört sich so Liebe an? Für Kriegsveteran Freddie Quell, gespielt von einem schmerzvoll verdrehten Joaquin Phoenix, schon. Der Alkoholiker hat sich in den Schoss einer Psychosekte geflüchtet, deren charismatischer Guru mit brachialen Mitteln im Unterbewussten seiner Anhänger stochert. Und dafür auch noch verehrt wird.
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Scientology als Vorlage
Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, die amerikanische Zivilgesellschaft befindet sich im Umbruch. Nicht nur die Wirtschaft brummt, auch die Sinnsuche läuft in der spirituell ausgehungerten Zeit auf Hochtouren.
Verlorene Seelen wie Freddie Quell laufen dem selbsternannten Doktor, Nuklearphysiker und Philosophen Lancaster Dodd in hellen Scharen zu. Dieser wird von Philip Seymour Hoffman ungeheuer anziehend verkörpert als Mischung zwischen Messias und Mephistopheles.
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Regisseur Paul Thomas Anderson («There Will Be Blood») lehnt den Verführer an Scientology-Gründer Ron L. Hubbard an. Doch sein Film ist keine Abrechnung mit der realen Sekte. Stattdessen beschäftigt sich «The Master» mit der gegenseitigen Abhängigkeit, die sich zwischen Meister und Jünger entwickelt.
Anderson lässt sein Publikum im Dunkeln
Trotz allen Zähmungsversuchen bleibt Freddie Quell unbändig, was die Sekte auf Dauer belastet. Dodds dominante Gattin (Amy Adams) versucht, den Störenfried deshalb loszuwerden, doch der Guru hält an ihm fest: Quell ist der verlorene Sohn, den es heimzuholen gilt.
«The Master» ist eine faszinierende Studie, eben weil die Figuren undurchsichtig bleiben – Anderson lässt sein Publikum im Dunkeln sitzen. Aber dank den Darstellern, den grossartigen Bildern und der Musik von Radiohead-Gitarrist Johnny Greenwood ist es dennoch ein Film, in den es sich zu setzen lohnt.