«Almanya - Willkommen in Deutschland» ist das Werk zweier in Dortmund geborener Schwestern, Yasemin und Nesrin Şamdereli, und damit gleich nochmals etwas Besonderes: Filmemacherinnen sind allgemein dünn gesät, aber in Volksgruppen mit islamischem Hintergrund erst recht.
Der Blick, den die Şamderelis auf die Familie Yilmaz werfen, ist liebevoll und zugleich (selbst)ironisch. Patriarch Hüseyin reist in den Sechzigern als 1'000'001. Gastarbeiter in Deutschland ein und tut sich schwer mit dieser Welt, die so anders ist als sein bäurisches Anatolien. Als er seine Frau Fatma und die Kinder ins Land des Wirtschaftswunders holt, durchlaufen sie ähnlich peinliche Zumutungen wie die Einbürgerungskandidaten in «Die Schweizermacher».
Integration als Komödienstoff
Die Şamderelis haben ihren Film der Zugänglichkeit halber mehrheitlich in Deutsch gedreht. Sie machen die sprachliche Verlorenheit der frisch zugewanderten Türken aber spürbar, indem sie die Einheimischen ein unverständliches, teutonisch klingendes Kauderwelsch plappern lassen, das an Chaplins Pseudo-Deutsch in «The Great Dictator» erinnert.
«Almanya» thematisiert das ganze Spektrum der Integration, vom krampfhaften Festhalten an den Werten der Heimat bis zur völligen Assimilation samt Verschmähung der eigenen Herkunft. Die daraus hervorgehenden binnenfamiliären Konflikte sorgen für viel Komik, lassen aber auch immer wieder den Ernst des Themas spüren, ähnlich wie die erfolgreiche TV-Serie «Türkisch für Anfänger», die auch im Schweizer Fernsehen gelaufen ist.
Zum Ende hin gewinnt der Film an Tiefe, denn die Reise der Familie Yilmaz in die Heimat hat teilweise tragische Folgen. 2011 wurde «Almanya» mit zwei Deutschen Filmpreisen und anderen Auszeichnungen geehrt.
Der Blick zurück auf die Heimat
Von der Schwierigkeit der Rückkehr zu den Wurzeln hat auch schon der bekannteste Exponent des deutsch-türkischen Filmschaffens, Fatih Akin, erzählt. Etwa in «Auf der anderen Seite» (2007).
Neben seinen eigenen Regiearbeiten unterstützt Akin als Produzent andere Cineasten, die sich zum Teil mit verwandten Fragen befassen. Der kurdischstämmige Miraz Bezar etwa, in Deutschland aufgewachsen und ausgebildet, hat sich für seinen Spielfilmerstling «Min dît - Die Kinder von Diyarbakir» ein heikles Thema ausgesucht: die Verfolgung der kurdischen Minderheit durch türkische Todesschwadronen in den 90er-Jahren.
Bezar verbrachte Monate mit Recherchen vor Ort, bevor er aufgrund von Erlebnissen der Menschen, denen er begegnete, ein Drehbuch schrieb. Erste abgedrehte Szenen, für deren Finanzierung er und seine Familie grosse Risiken eingegangen waren, legte Bezar seinem Kollegen Akin vor, der ihm daraufhin als Koproduzent half, das Geld für den ganzen Film aufzutreiben.
Notwendige Vergangenheitsbewältigung
Auch heute, wo sich endlich dank der gemeinsamen Anstrengungen der türkischen Regierung und des inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan eine friedliche Lösung des Konflikts erhoffen lässt, ist es wichtig, sich anhand eines Films wie «Min dît» zu vergegenwärtigen, wie verbittert der Bürgerkrieg jahrzehntelang geführt wurde.
Eindringlich und einfühlsam zeigt Bezar in seinem preisgekrönten Erstling, wie die kurdische Zivilbevölkerung unter den Nachstellungen von Agenten paramilitärischer türkischer Einheiten, die unerkannt in ihrer Mitte lebten, zu leiden hatte. Seine Protagonisten sind drei kleine Kinder, deren Eltern wegen ihrer politischen Aktivitäten umgebracht worden sind und die sich daraufhin alleine in Diyarbakir, der inoffiziellen Kurdenhauptstadt, durchschlagen müssen.
Souveräne Inszenierung
Geschickt und subtil setzt Bezar Motive aus Märchen ein, die dem beherzten Mädchen Gulistan erlauben, am Mörder ihrer Eltern auf ebenso kindgerechte wie effektive Weise Rache zu nehmen. Die herausragenden Leistungen der jungen Laiendarsteller belegen Bezars grosses Talent in Sachen Schauspielerführung.
Man darf auf weitere Werke dieses Cineasten gespannt sein. «Min dît» wurde als erster türkischer Film in kurdischer Sprache am Festival von Antalya aufgeführt und preisgekrönt.