Beate (Steffi Kühnert) war mal die schnellste Schwimmerin der DDR. Doch eine Schwangerschaft mit 17 verhinderte die Olympiateilnahme. 30 Jahre später arbeitet Beate in einer Wäscherei und unterstützt mit Geld und Taten ihre volljährigen und noch immer nicht flüggen Kinder. Als bei einer Routineuntersuchung ein Gebärmutterkarzinom entdeckt wirkt, stellt sich bei Beate ein Sinneswandel ein.
Sie verheimlicht die Krankheit vor ihren Kindern, nur die Freundin Henni (Jenny Schily) wird eingeweiht. Gleichzeitig nimmt sich die ehemalige Leistungssportlerin vor, einen alten Traum wahr werden zu lassen und den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Sie fängt an zu trainieren und kommt kaum noch aus dem Wasser. Die Kinder reagieren heftig auf den Entzug der Hilfskraft, doch Mama bleibt stur und schwimmt und schwimmt…
Mut und extremes Training
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Wer mit nichts am Körper als Badehose, Fett und Schwimmbrille von Dover Richtung europäisches Festland schwimmt und dort auch ankommt, wird Mitglied in einem der exklusivsten Clubs der Welt. Kein Wunder: Es haben mehr Menschen den Mount Everest erklommen als den Kanal durchschwommen.
Dass dazu nicht nur Mut, sondern auch extremes Training notwendig sind, verdeutlicht der deutsche Regisseur Marc Rensing in seinem Spielfilm «Die Frau, die sich traut».
Alles richtig gemacht?
Eigentlich hat Regisseur Marc Rensing alles richtig gemacht. Die Geschichte einer älteren Frau, die sich nach einer Krebsdiagnose von den Lebenszwängen befreit, um ihren Traum zu leben, hat die nötige Fallhöhe.
Steffi Kühnert, eine Meisterin des unprätentiösen Spiels und in allen Filmen Leander Haussmanns zu sehen, überzeugt in der Hauptrolle. Kameramann Tom Fährmann, der schon Söhnke Wortmans «Das Wunder von Bern» die emotionale Grundstimmung verliehen hat, fängt das Schwimmer-Drama in schönen Bildern ein.
Durch die Schere gefallen
Das Problem: Rensing traut sich weder, die grossen Gefühle einzufangen, noch ein nüchternes Sportlerdrama zu inszenieren. Sein Film stellt die falschen Prämissen auf. Beates Krankheit kompliziert nicht die Handlung, sondern ist der Motor ihrer neuen Zielstrebigkeit und Mittel zum Zweck, den Egoismus ihres Umfelds, sprich ihrer Kinder, zu entlarven.
Diese Erzählweise verhindert, die im Stoff verborgenen Themen und Motive wie Leidenschaft und Todesangst ans Licht zu bringen. Wir erfahren nicht einmal, was die Heldin so fasziniert am stundenlangen Schwimmen im kalten, dunklen Nass. Beate paddelt sich nicht frei, sondern ihrem Traum hinterher. Das kann nicht die Intention der Geschichte gewesen sein.
Marc Rensing wagt weder den nüchternen Blick noch die grossen Gefühle. «Die Frau, die sich traut» scheitert an der unentschlossenen und fantasielosen Inszenierung.