Als Lincoln 1864 seine zweite Amtsperiode als Präsident antritt, steht die Union vor dem Ende, zerrissen vom Sezessionskrieg. Mit Mut und immensen Willen versucht der republikanische Politiker, den Krieg zu beenden, Nord- und Südstaaten zu versöhnen und die Sklaverei abzuschaffen. In den wenigen Monaten vor seiner Ermordung stellt Lincoln die entscheidenden Weichen für das Schicksal der nachfolgenden Generationen.
Erwartungen übertroffen
Eine faszinierende Geschichte, aber der Trailer zu «Lincoln» liess nichts Guten ahnen. Schon wieder einer dieser hochtrabenden Spielberg-Filme mit Zuckerguss-Musik von Langzeit-Freund John Williams. Erinnerungen an Spielbergs völlig überschätzten «War Horse», ein kitschiger und romantisierender Film über die grosse Freundschaft zwischen einem einfachen Jungen vom Land und seinem Pferd, angesiedelt im ersten Weltkrieg, werden wach. Zu Unrecht, wie sich zeigen wird.
Mehr als ein Biopic
Der neue Film des Königs des amerikanischen Unterhaltungskinos ist zwar naiv, moralisierend, vereinfachend und historisch nicht akkurat, überrascht aber durch seine nüchterne Sachlichkeit. Nach einer übererregten Einführung, in der Spielberg Soldaten an Lincoln defilieren und seine Gettysburg-Rede zitieren lässt, schaltet er glücklicherweise einen Gang runter.
Er gibt dem Ränkespiel der Macht, der Manipulation von politischen Hinterwäldlern und den kleinen und grossen Lügen, die manchmal zum Ziel führen und manchmal nicht, viel Raum. Mt diesem Kniff gelingt es ihm, zu überraschen. «Lincoln» ist mehr als ein Biopic über Spielbergs Lieblingspräsidenten. Der Film umreisst eine Schlüsselpassage der amerikanischen Geschichte und spricht dabei sehr subtil über Amerika, über Rassismus und die Hoffnung, auf die Fähigkeit des Menschen, den Verstand walten zu lassen. Da wirkt selbst Barack Obamas Kampf für die Gesundheitsreform wie ein Zuckerschlecken.
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Oasen in der Wortwüste
Leider wickelt Drehbuchautor Tony Kushner («Munich») die Geschichte rasant ab und ist dabei nicht immer klar. Es wird viel gesprochen und es gibt nur wenig Action - ein Hochseilakt zwischen Faszination und Langeweile. Spielberg hingegen inszeniert routiniert, ohne dabei das geringste Risiko einzugehen und ist sichtbar bemüht, die Zuschauer bei der Stange zu halten. So hat er die humorvollen Szenen geschickt über den Film verteilt – sie sind für den Zuschauer die Oasen in der Wortwüste.
Daniel Day-Lewis vs. Tommy Lee Jones
Daniel Day-Lewis spielt Präsident Lincoln brillant und voller Inbrunst. Doch der wahre Star des Films ist Tommy Lee Jones in der Rolle des radikalen, republikanischen Anti-Sklaverei-Politikers Thaddeus Stevens. So vielschichtig hat man das Knautschgesicht zuletzt vor 20 Jahren in «The Fugitive» gesehen. Mit 150 Minuten ist «Lincoln» ein langer Film, langweilig aber ist er nicht. Allerdings sollte man sich den wortreichen Film nicht in der deutsch synchronisierten Fassung ansehen, dafür sind die Dialoge zu reizvoll und zu wichtig.