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Hinter einer Glastüre sitzt eine junge Frau an einem Tisch vor ihrem Laptop.
Legende: Wenn «Disconnect» zum grossen Showdown zwischen virtuellem und realem Leben ansetzt, lässt das nicht kalt. Rialto Film AG

Film & Serien «Disconnect»: Raus aus der Virtualität, rein in die Realität

Alles, was wir im Netz machen, kann ernsthafte Folgen für unser Leben haben. Der Film «Disconnect» kommt hier und da etwas schulmeisterlich rüber, berührt aber tief. Es geht um Menschliches und Allzumenschliches. Und um die Frage nach wahren Beziehungen in Zeiten der Online-Generation.

«Disconnect» erinnert formal an Paul Haggis «L.A. Crash». Der Film versucht über drei parallel montierte Geschichten zu zeigen, welche Gefahren im weltweiten Netz lauern. Geschickt springt Dokumentarfilmer Alex Rubin in seinem ersten Spielfilm zwischen den einzelnen Geschichten hin und her, räumt dabei den Figuren genug Zeit zur Entwicklung ein und baut kontinuierlich Spannung auf.

Menschen, die alles verlieren

Cybermobbing, Cyberdiebstahl und Pornografie im Internet werden thematisiert, doch letztlich geht es um mehr: die Wahrhaftigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen in Zeiten der Facebook-Kommunikation.

Cindy (Paula Patton), die ihr Baby verloren hat, verbringt ihre Freizeit in einem Chatroom. Sie sucht Trost, den ihr Mann (Alexander Skarsgård) ihr nicht geben kann. Ehe sie sich versieht, hat man ihr die Identität geraubt und das Bankkonto leer geräumt. Cindy beauftragt einen Privatdetektiv (Frank Grillo) um den Betrüger zu finden. Dessen Sohn (Colin Ford) missbraucht eine falsche Facebook-Identität um einen Mitschüler zu demütigen. Eine TV-Journalistin sucht in pornographischen Chatrooms nach der Reportage, die zum Scoop werden könnte. Drei Geschichten, drei Schicksale.

Die Schauspieler bewahren den Film vor der Lächerlichkeit

Die Gefahr eines Episodenfilms, dessen Figuren um eine zentrale These kreisen, liegt in der Redundanz. Thematisch kreist «Disconnect» um die Auswirkungen, die unsere virtuelle Identität auf das reale Leben hat. Da Alex Rubin ein beinahe paranoides Misstrauen gegenüber dem «Social Web» hegt, ist das Risiko pedantisch zu werden riesig. «Disconnect» ist schrecklich didaktisch und manchmal redundant. Dennoch ist der Film ein solides und handwerklich sauber gemachtes Drama, dessen Probleme mehr in der Konstruktion als in der Ausführung liegen.

Den Darstellern, allen voran Jason Bateman, Paula Patton und Alexander Skarsgård, gelingt es glaubhaft in die Rolle der vom Schicksal gebeutelten Kreaturen zu schlüpfen. Ihnen ist es zu verdanken, dass der Film, trotz einiger schrecklich banalen Dialoge, nie ins Lächerliche abgleitet und der Rhythmus meist hoch bleibt.

Gewaltiger Schlussknall, gut gelungen

Herausragend ist wieder einmal Frank Grillo, hier als verwitweter, barscher Ex-Polizist zu sehen. Obwohl er den Bogen raus hat, trägt er indirekt die Verantwortung für den schlimmsten Vorfall in diesem Mikrokosmos des digitalen Unglücks. Grillo hat seine Nische gefunden, als harter Typ ohne Angst vor dem grossen Gefühl.

Man ahnt, dass es gegen Ende zu einem gewaltigen Knall kommen wird. Auch wenn der Ausgang alles andere als vorhersehbar ist. Die Entladung all der aufgebauten Aggressionen und Frustrationen, ist «Disconnect» bestens gelungen. Es ist eine seiner stärksten Szenen, die einen nicht unberührt lässt.

Die Moral der Geschichte: Raus aus der Virtualität, rein in die Realität, denn nur dort findet das wahre Leben statt.

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