Auf sonniger Wiese spricht Gymnasiast Dominik mit einem grün glänzenden Käfer. Älter werden, das bedeute, abzusterben, stumpf und gefühllos zu werden, nach einer Kindheit voller Offenheit und Neugier.
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Dominik (Leonard Scheicher, muss man sich merken) schwänzt den KZ-Besuch seiner Klasse, weil seine Freundin (Schweizer Exportschlager Carla Juri, «Feuchtgebiete») aus purer Spottlust seinen Erzfeind geküsst hat.
Derweil regt sich eine von Sandra Hüller gespielte Selbstparodie von Filmemacherin Finsterwalder über den Protagonisten ihres Fernseh- Dokumentarfilmprojektes auf. Der arbeitslose, nudelfressende, fernsehglotzende Prolet im Plattenbau gebe einfach nichts her, findet sie.
Schönheit, Liebe und Kunstpelze
Die Filmemacherin selber schwärmt für Haneke und Seidl, behauptet, man müsse die Schönheit doch bloss wahrnehmen – und hört und versteht gleichzeitig kein Wort von dem, was ihr Polizistenfreund ihr zu erklären versucht.
Dass er sich wohler fühlt im Kunstpelz als in seiner eigenen Haut. Dass er zu den «Furries» gehört, zu jenen seltsamen Menschen, die in Kunstpelzkostüme steigen und sich als Teddybären, Stofffüchse oder Plüschhasen gute Nacht sagen.
Schönheit und Liebe in Zweisamkeit hat dafür das gut situierte, hyperkultivierte Werber-Ehepaar gefunden, in ihrem urbanen Luxus-Geländewagen und im gemeinsamen Spott über den Niedergang der Deutschen Kultur. Draussen sei es einfach hässlich, meint die von Corina Harfouch gespielte Ehefrau. Der Film allerdings zeigt uns nichts davon, die offene Wiesen-Landschaft draussen erstrahlt in sommerlicher Helligkeit.
Die «Finsterworld» ist innen
Die «Finsterworld» ist nicht zu sehen, das ist offensichtlich Teil des cleveren filmischen Konzeptes. Die Abgründe tun sich hinter den Worten der Menschen auf. Sie hören sich gegenseitig nicht richtig zu, oder sie verstehen sich nicht. Sie verdrängen genau das, was ihnen ihre Nächsten erklären möchten, und sie analysieren alles richtig, ausser sich selber.
Die zum Teil verblüffenden, ebenso lebensechten wie synthetischen Dialoge von Christian Kracht und Frauke Finsterwalder haben wenig mit dem zu tun, was man im deutschen Kino gemeinhin zu hören bekommt. Sie erklären nicht die Bilder und sie treiben keine Geschichte voran. Sie säbeln vielmehr heftig am optischen Eindruck einer lichten Welt, sie treiben einem das Dunkel ins Herz, wo die Protagonisten erst ansatzweise die kommende Leere spüren.
Märchenhaftes Grauen
Der Film fängt mit idyllischen Bildern an und er gibt sie nie mehr wirklich preis. Die Sonne scheint selbst im Konzentrationslager und dunkel wird es erst, als zwei der blasierten Schnösel ihre Klassenkameradin Natalie in den kalten Schlund eines Verbrennungsofens schieben und die Klappe schliessen.
Hänsel und Gretel ging anders. Und doch ist dieses Grauen märchenhaft. Und die Katastrophen von «Finsterworld» entwickeln sich so beiläufig und fast unbemerkt, dass man häufiger lacht und staunt, als sich die Augen reibt. Das Unheimliche lauert nicht hinter den Dingen oder versteckt in den Köpfen der Menschen. Es liegt offen im Tageslicht und nimmt seinen Lauf.
Wer aus diesem Kino kommt, sieht die Welt für eine Weile anders. Man möchte lachen, und es bleibt einem gar nichts anderes übrig. Ein unerwartet erstaunlicher Film.