Kimme, Korn – und kein Schuss: Der Beduinenjunge Theeb staunt nicht schlecht, als der Abzugshahn des Karabiners leer klickt. Wo die Kugel sei, fragt er seinen älteren Bruder Hussein.
Die Schiessübungen in der jordanischen Wüste sind friedlich, doch die eintönige Ruhe trügt. Die Nomadensippen müssen nicht nur vor Räubern und wilden Tieren auf der Hut sein – um ihr nächtliches Lagerfeuer schleicht noch eine ganz andere Gefahr: der Erste Weltkrieg.
Reise ins Ungewisse
Eines Nachts stört ein ungebetener Gast das Würfelspiel der Beduinen: Der Engländer ist in geheimer Mission unterwegs, er will sich in einem abgelegenen Tal mit Rebellen treffen. Grossbritannien und das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich streiten sich um die Herrschaft über die arabische Halbinsel.
Der Ehrenkodex verpflichtet Theebs Sippe dazu, dem Engländer zu helfen. Hussein bietet sich als Führer an, worauf eine kleine Karawane in die flirrende Hitze aufbricht – gefolgt von Theeb, der seinen Bruder nicht alleine ins Ungewisse ziehen lässt.
Alles andere als ein Bilderbuch-Abenteuer
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Was der englische Soldat in dem unwegsamen Felsgebirge vor hat, wissen die beiden Brüder nicht. Und über den Inhalt seines geheimnisvollen Kästchens können die beiden nur rätseln. «Was ist darin»?, fragt Theeb seinen Bruder.
«Gold», antwortet Hussein, womit alle Voraussetzungen für ein Bilderbuch-Abenteuer erfüllt scheinen. Doch dann gerät die Expedition in einen Hinterhalt – das Märchen erstickt in Blut und Tränen.
Ohne genreübliches Schwarz-Weiss-Denken
«Theeb» von Najy Abu Nowar ist ein ungewöhnliches Regiedebüt: Das Gerangel der europäischen Grossmächte wird von aussen erzählt. Die grosse Geschichte in den Dienst einer Randnotiz gestellt, die gleichberechtigt die verheerenden Folgen eines Krieges schildert.
Der Film findet im imperialistischen Wettrüsten der verfeindeten Nationen die Wurzeln einer Gewalt, die bis heute nachwirkt: So sind die Räuber, denen Theeb und sein Bruder in die Hände fallen, von einer neuen Eisenbahnlinie um ihren Lebensunterhalt gebracht worden. Zuvor geleiteten sie Pilger friedlich nach Mekka.
«Theeb» erinnert an einen Western: Die epischen Landschaftsaufnahmen und ein unerbittlicher Showdown in Zeitlupentempo sprechen dafür. Allerdings verzichtet der Film auf das genreübliche Schwarz-Weiss-Denken. Die Suche nach einem Bösewicht verläuft bei Najy Abu Nowar konsequent im Sand.
Kinostart: 09.04.2015