«Coup de Chaud» spielt in einer Kleinstadt. Das Städtchen leidet unter der Hitze und dem Wassermangel. Der Bürgermeister, Integrationsfigur und zugleich der Veterinär der Stadt, bringt die Gemeindemitglieder dazu, eine zusätzliche Wasserpumpe einzurichten. Aber kaum installiert, ist diese Pumpe auch schon wieder verschwunden.
Verdächtigt wird sofort Joseph, geistig behindert, um die dreissig. Joseph ist in der Stadt aufgewachsen, ein ewiger Adoleszenter, behütet von seiner Mutter und seiner Familie, welche als niedergelassene Fahrende ihrerseits Aussenseiter geblieben sind.
Zugehörigkeit und Ablehnung
Joseph hat ein eigenes kleines Elektroauto. Er arbeitet nicht, dafür hängt er im Ort herum. Er hilft aus beim Wäscheaufhängen und versucht, sich mit den Teenagern gut zu stellen, zu deren Gruppe er gerne gehören würde.
Sie tolerieren ihn, schicken ihn auch vor, um Alkohol zu kaufen, den er im Gegensatz zu ihnen bekommt. Aber so ganz trauen sie ihm nie, zumal er auch immer wieder sehr aufgeregt auf die Mädchen reagiert.
Die Frage nach der Sexualität ist in diesem Zusammenhang wichtig. Joseph benimmt sich, als ob er dazugehören würde zu dieser Gruppe. Aber auf Dauer akzeptieren ihn die Jugendlichen nicht als einen der ihren. Mit dem Gros dieser Jungen und Mädchen kann ein Mann wie Joseph nicht funktionieren.
Undefinierte Sexualität
«Da passt Joseph nicht dazu, er hat keine definierte Sexualität – aber ganz klar eine Libido, die ihn heftig umtreibt. Das hat mich interessiert, das ist ja fast ein Tabu», sagt Regisseur Raphael Jacoulot: «Von den Teenagern, Mädchen wie Jungen, wird Joseph natürlich immer wieder zurückgewiesen.»
Aufgrund dieser zum Teil panischen Reaktionen flüchtet Joseph, wird von der Polizei aufgegriffen und bald wieder freigelassen. Joseph bekommt schliesslich so etwas wie Hausarrest, er darf das Haus nicht mehr ohne Aufsicht verlassen. Weder er noch seine Familie, die bedingungslos zu ihm hält, finden das richtig.
Der Franzose, der auch nicht dazugehört
Joseph ist nicht der Einzige, der aneckt. Da gibt es noch den zugezogenen Handwerker Rodolphe mit seiner Frau und seiner Tochter. «Beide, Joseph und Rodolphe wollen sich integrieren», sagt Jacoulot.
«Rodolphe ist zwar ein Zugezogener, aber Franzose. Ein Mann wie die meisten anderen in der kleinen Stadt. Ein gewissenhafter und integerer, schweigsamer Mann. Einer, der lieber die Qualität seiner Arbeit für sich sprechen lässt.» Das erschwert ihm allerdings den Start in einer Stadt, in der neue Aufträge lieber an alte Bekannte vergeben werden. Niemand hat etwas gegen Rodolphe. Er findet bloss kaum Auftraggeber.
Ein wuchtiges Kleinstadtdrama
Joseph ist der fremdartige Fremde, Rodolphe der eigene Fremde. Die beiden Figuren ergänzen sich, sagt Regisseur Jacoulot: «Beide haben den gleichen Wunsch: Sie wollen existieren und dazugehören.»
Doch in der sommerlichen Hitze ist die Toleranz der Stadt verschwunden. Mit dem tatsächlichen und dem gesellschaftlichen Gewitter, dass dann ausbricht, hat so niemand gerechnet. Der Film endet im Hitzschlag.
«Coup de Chaud» ist ein wuchtiges, unaufhaltsames Kleinstadtdrama, das sein französisches, mehr noch: sein europäisches Thema, die Angst vor den Andersartigen und deren durch ökonomische Krisen eingeleitete Ausgrenzung, nicht versteckt.
Kinostart Deutschschweiz: 7.7.2016