Seit seinem verschwurbelten, wenn auch höchst kunstvoll gebauten «The Tree of Life» ist Terrence Malick in einen für seine früheren Verhältnisse erstaunlichen Schaffensrausch verfallen. Und die von New-Age-Fans und Alt-Cinéphilen gleichermassen bevölkerte «Church of Malick» kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus.
Eine blut- und inhaltsleere Trauerfeier
Aber der von seinen Anhängern sehnsüchtig erwartete «Knight of Cups» ist eher so etwas wie der «extended director's cut» der auch schon fast unerträglichen finalen Szenen von «Tree of Life» geworden – eine ebenso virtuose wie blut- und inhaltsleere Trauerfeier für den orientierungslosen westlichen Karrieremann.
Ben Kingsley deklamiert über den Titelvorspann den Anfang von John Bunyans «The Pilgrim's Progress» , wie weiland John Hurt bei Lars von Trier die Gottesstimme von «Dogville» gab. Christian Bale spielt ihn, diesen Verlorenen. Diesen mit reglosem Gesicht und praktisch ausschliesslich aus dem Off seine grossen Lebensfragen Murmelnde.
Ein Antiheld in der Sinnkrise
Allerdings ist er zu diesem Zeitpunkt offensichtlich ein Powerplayer in Hollywood. Er vertreibt Zeit und Gedanken mit spärlich bis gar nicht bekleideten Models und Schauspielerinnen. Er fährt melancholisch im Cabriolet und lässt sich an einer Superparty nicht wirklich ein auf (oder aus über) die Machosprüche von Antonio Banderas, der meint, mit den Frauen sei es wie mit Obst: Manchmal wolle man lieber Erdbeeren, dann doch eher Himbeeren.
Sinnkrisig ist er, dieser Rick, midlife-verloren, mit Vater-Problemen und einer vielleicht an Kinder-, wohl aber vor allem an Herzlosigkeit gescheiterten Beziehung mit Cate Blanchett nagend.
Top Besetzungsliste
Und wie bei Woody Allen wollten sie offensichtlich alle mitspielen im neuen Opus von Malick. Die Besetzungsliste suggeriert ein Millionenbudget und tönt wie der feuchte Traum eines gierigen Produzenten. Christian Bale, Natalie Portman, Cate Blanchett, Antonio Banderas, Ben Kingsley, Brian Dennehy, Michael Wincott, Ryan O’Neal, Armin Mueller-Stahl: Das sind nur ein paar der bekannteren Namen.
Und das gleiche macht Malick mit Los Angeles und Hollywood. Er zeigt, was man kennt. Schicke Wohnungen und Villen, Strände und Strassen, Models beim Fotografen, Swimming Pools mit nackten, halbnackten und angezogenen Frauen drin: Alles im Dienst der Verbreitung der grossen inneren Leere seines Pilgers.
Schwimmende Hunde – von unten gefilmt
Dieser Einsatz von Tinseltown als Vanity Fair ist so abgeschmackt, dass man das schon wieder für Ironie von Malick halten könnte. Aber dann jagt er seinen traurigen Antihelden auch noch nach Las Vegas und demonstriert die Künstlichkeit der Künstlichkeit bis es einen wahrlich grausen muss.
Dazwischen gibt es immer wieder wunderschöne Landschaftsaufnahmen, quasi als Sehnsuchtsbilder der Reinheit. Und zum Kontrast Bilder von Obdachlosen, wie um einen daran zu erinnern, dass es wohl auch Menschen gibt, denen es äusserlich schlecht geht – nicht spirituell.
Und hin und wieder filmische Einfälle, die schlicht grossartig sind. Zum Beispiel von unten gefilmte Hunde, welche im Swimming Pool nach Bällen tauchen. Deren fletschend-komischen Gesichtsausdruck vergisst man nicht mehr.
Einfach nur platt
Aber die filmischen Qualitäten, die durchaus etwas melancholisch-masochistisch Rauschhaftes an sich haben, helfen nicht darüber hinweg, dass die Leere der Hauptfigur der Leere des Films entspricht. Und ich fürchte, das ist kein Kunstgriff, sondern bloss platt. Man sehnt sich schon bald nach der aktiv destruktiven Leere jenes frühen Christian-Bale-Pilgrims, dem mörderischen Patrick Bateman in «American Psycho».
Der einzige wirklich herzhafte Satz kommt in der Mitte des Films von der Mutter von Pilgrim-Rick: «Ich hoffe, Du bekommst Kinder. Wenn man sich dauernd fragt, ob die auch warm genug haben, oder nicht frieren, kommt man nicht mehr dazu, sich allzu sehr mit sich selber zu beschäftigen.»
Kinostart: 3.9.2015