Die Nonne Augustine (Céline Bonnier) ist Schulleiterin in einem kleinen kanadischen Klösterchen. Hier, auf dem Québecer Land, werden hochbegabte junge Pianistinnen ausgebildet. Das Leben in der Klosterschule ist nicht geprägt von klösterlicher Stille und Einkehr: Überall wird gesungen, Klavier gespielt, sogar die Böden werden tanzend geputzt.
Die Leidenschaft wird zum Leiden
Schwester Augustines «Passion» ist zunächst noch kein Leidensweg, sondern eine Leidenschaft. Selber eine grosse Pianistin, bringt sie viele junge Talente dazu, Wettbewerbe zu gewinnen, weiterzukommen. Ihre Nichte Alice (Lysandre Ménard), die zunächst etwas widerwillig in die Schule eintritt, ist die begabteste Schülerin.
Aber dann holt Ende der 1960er-Jahre der Zeitgeist das Kloster ein: Die Kirche verliert ihre Übermacht in Québec, Klosterschulen werden reihenweise geschlossen, das öffentliche Schulsystem gestärkt. Die Nonnen und ihre Schülerinnen kämpfen um ihre Schule.
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Die Musik spielt eine Hauptrolle
Nachdem Léa Pool sich in ihrem letzen Film «La dernière fugue» mit dem Alter und dem Tod auseinandergesetzt hat, ist sie in «La passion d’Augustine» zur Jugend zurückgekehrt. Es ist immer wieder verblüffend, wie gut die Regisseurin Kinder und Jugendliche inszeniert. In «La passion d’Augustine» hat sie ausserdem nicht mit jungen Schauspielerinnen gearbeitet, sondern mit Musikerinnen, mit Pianistinnen und Sängerinnen.
Die Musik spielt eine Hauptrolle in diesem feinen Drama um die Schülerinnen, die um ihre Schule kämpfen. Das sei eine grosser Herausforderung gewesen, erzählt die Regisseurin. Sie habe aber unbedingt die Authentizität in den Musikszenen haben wollen – keine geschnittenen Klavierszenen mit fremden Händen. Weil sie so die volle Emotionalität ihrer jungen Darstellerinnen habe abholen können, weil man das immer spüre auf der Leinwand, wenn Musik auch wirklich gespielt werde.
Gezielt auf die Tränendrüse
Mit Emotionen spielt Léa Pool gern. Und sie scheut sich nicht, sie gross anzurühren, das Publikum auch mal gezielt zum Weinen zu bringen. Der Grat zwischen Emotionalität und Pathos sei dünn, sagt Léa Pool. Es mache ihr Spass, den immer wieder auszureizen, aber nicht zu überschreiten.
Mit der Schwester Augustine steht im Zentrum dieses Films eine starke Frauenfigur, vielmehr Kämpferin für die Musik und die Autonomie der Frauen als strenggläubige Nonne. «La passion d’Augustine» ist auch kein Film der vom Widerstreit der Religion mit der modernen Gesellschaft erzählt. Oder nicht nur, denn natürlich dokumentiert er ein wichtiges Kapitel kanadischer Geschichte. Aber es ist vor allem ein starker Frauenfilm, ein emotionales Drama, ein Film mit grossem Ensemble, wunderbar ausgestattet und sorgfältig in die Jahreszeiten eingebettet, in denen er spielt.
Ein Film, der wunderbar gut tut
Das ist mal wieder ein Film, der im Kino eine unglaubliche Kraft und Energie ausstrahlt. Dank der Musik, dank der vielen Gruppenszenen, dank dem intensiven Spiel der Darstellerinnen und dank der Leidenschaft, der Passion, die Léa Pool für ihre Filme hat. Sie weine zwar nicht mehr, wenn sie den Film anschaue, aber sei doch jedes Mal noch berührt und stolz, wenn sie sich am Anfang jeder Vorstellung eine Viertelstunde anschaue. Wir aber, wir lachen und weinen in diesem Film, der so richtig wunderbar gut tut.
Kinostart: 19. November 2015