«C’eravamo tanto amati», «Una giornata particolare», «La nuit de Varennes», «Le Bal», «La famiglia», «La cena» – auf ihn war verlass. Regelmässig ein neuer Film – fast im Jahresrhytmus. Und vergegenwärtigt man sich nur schon die Filmtitel, ist man schon auf die zartbittere Melancholie ihrer Protagonisten eingestimmt. «Wir waren so verliebt». «Ein besonderer Tag». «Passion der Liebe». «Der Tanzpalast». «Wie spät ist es?».
Die heroische Zeit ist vorbei
Die «commedia all’italiana» war in seinen Filmen immer eine Sittenkömodie. Und die Sittenkomödie von Wehmut angehaucht. Nie das laute Lachen der Komiker oder Zyniker. Aber auch nicht die strahlende Gewissheit derer vor ihm, der Grossen des Neorealismus wie Visconti oder Rossellini, mit deren Kino er gross geworden ist.
Die grosse Vergangenheit, die heroische Zeit, ist vorbei. Das spürt man immer auch in Ettore Scolas Filmen. In den Figuren seiner Filme, die eher in ihrer verhinderten Grösse Grösse finden. Wie der Kinobesitzer in «Splendor», Ettore Scolas Liebeserklärung an die kleinen Kinos in den kleinen Städten, die heute Warenhäuser sind. Marcello Mastroianni spielt ihn. Er muss sein Kino an einen Spekulanten verkaufen. Aber als alles abgewickelt ist, der Deal unter Dach und Fach, da gibt er dem Käufer eine schallende Ohrfeige. Natürlich kommt sie zu spät. Aber die Geste hat Grösse.
Das traurigste Liebespaar des italienischen Films
Marcello Mastroianni, Simone Signoret, Vittorio Gassman, Nino Manfredi waren Ettore Scolas Schauspieler. Und in «Una giornata particolare» sind Mastroianni und Sophia Loren wahrscheinlich das schönste Liebespaar des italienischen Films. Sicherlich das einsamste. Denn Einsamkeit ist der Preis, den Ettore Scolas Filmfiguren zahlen, wenn sie den sozialen und politischen Zwängen ihrer Zeit entkommen wollen – den Sitten und den Sippen.
Keine Film unter Berlusconi
Ettore Scola ist im Laufe der Zeit immer radikaler geworden. Von den Anfängen im Unterhaltungskino über die Sittenkomödien bis zu den traurigen Gruppenbildern. Und dann: Schnitt. Engagierte Filmbriefe vom G8 Gipfel in Genua und aus Palästina.
Nochmals Schnitt: 2009 schliesslich der Entschluss mit dem Kino aufzuhören. «Filmemachen hat in diesem Italien keinen Sinn mehr. Solange Berlusconi an der Macht ist, werde ich keine Filme mehr machen», gab er bekannt .
Aber genau deshalb brauche es doch Leute wie Scola – so der Tenor damals. Er sei nicht so vermessen zu glauben, seine Stimme sei notwendig und unverzichtbar, entgegenete der Altmeister. «Das sollen die Jungen machen. Jetzt liegt es an ihnen.» Nun ist Ettore Scola am Dienstagabend im Alter von 84 Jahren in Rom gestorben.
Dieser Text wurde zum 80. Geburtstag von Ettore Scola im Mai 2011 auf Radio SRF 2 Kultur als Radiobeitrag ausgestrahlt.