Gelbe Ping-Pong-Bälle mit der Aufschrift «Free Syria» springen zu Hunderten auf die öffentlichen Strassen und Plätze von Damaskus. Die Sicherheitskräfte haben keine Chance gegen die anarchischen Hüpfer. Die Aktion ist ein Zeichen des Widerstands gegen ein Regime, unter dem Protest auf der Strasse zu gefährlich geworden ist.
Ohnmacht überwinden und Menschen zusammenbringen
Gewaltloser Widerstand ist kreativ. Er kann unterhaltend sein und witzig. Den Menschen ihre Angst nehmen und sie vom Gefühl der Ohnmacht befreien. Das ist eine der Botschaften des Films «Everyday Rebellion» der Brüder Riahi aus Wien.
Sie portraitieren Bewegungen der letzten Jahre wie «Occupy» in New York, «Indignados» in Madrid, «Femen» in Kiew und Paris, den «Arabischen Frühling» in Ägypten und den Widerstand aus dem Untergrund in Teheran und Damaskus. Es sind häufig kleine Geschichten von kreativen Aktionen, schrägen Ideen und mutigem Eingreifen, die in der Summe die grosse Geschichte davon erzählen, wenn Menschen sagen: «Stopp! So nicht!»
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Im Zentrum dieser Geschichte steht die Gewaltlosigkeit, diese alte und weise Idee, die in allen Religionen vorkommt. Sie ist es, die Arash und Arman Riahi fasziniert. Selbst Söhne iranischer Eltern, die anfangs der 80er-Jahre aus politischen Gründen aus dem Iran nach Österreich fliehen mussten, sind sie pazifistisch erzogen worden. Sie verstehen ihr Schaffen als eine Fortsetzung der Arbeit ihrer Eltern.
Keine Hierarchie von Unrecht
Zu den eindrücklichsten Szenen im Film gehört denn auch, wie ein ehemaliger politischer Gefangener als Zeuge vor einem symbolischen Iran-Tribunal auftritt, das Exil-IranerInnen, Augenzeugen und Opfer in Den Haag eingerichtet haben. Unter Tränen erzählt er, wie er als Häftling gezwungen wurde, Mitgefangene zu erschiessen. Da wird deutlich, was Widerstand bedeuten kann, welchen Preis Menschen zahlen müssen, wenn sie sich auflehnen.
Die begleiteten Protestbewegungen richten sich jedoch nicht nur gegen skrupellose Diktaturen, sondern auch gegen Korruption, Machtmissbrauch und gegen schamlose Banken. Die Gründe der Menschen, sich zur Wehr zu setzen, sind unterschiedlich. Der Film macht keine Hierarchie des Unrechts. Das, was die Menschen rund um den Globus vereint, sind der Zorn, der Mut und die Hoffnung, Veränderungen auf friedlichem Weg herbeiführen zu können. «Everyday Rebellion» will die Menschen, die an eine gerechtere Welt glauben, inspirieren, sich dafür einzusetzen.
Der Glaube an die Kraft der Gewaltlosigkeit
Aber wo bleibt der Erfolg? Gerade in jüngster Vergangenheit sind wieder Waffen und Gewalt das bevorzugte Mittel der Konfliktbewältigung. «Man muss Erfolg anders definieren», meint Arman Riahi. «Keine der von uns portraitierten Bewegungen hat ihr letztes Ziel erreicht. Aber alle haben erreicht, dass ihre Themen in die Öffentlichkeit gelangen, dass Menschen sich ermutigt und aktiv fühlen, sich gegenseitig inspirieren und Angst ablegen.» Veränderungen müssten zuallererst in den Menschen passieren, schiebt sein Bruder Arash nach. Das geschähe nicht in zwei, drei Jahren. Das könne Generationen dauern, und er verweist dabei auf den langen Kampf um das Frauenstimmrecht in der Schweiz. «Beim zivilen Widerstand ist es wie mit der Liebe. Nur, weil es einmal nicht geklappt hat, heisst das nicht, dass man sich nicht wieder verliebt.»
Anleitung zum gewaltfreien Widerstand
Arman und Arash Riahi machen kein Geheimnis daraus, dass ihr Projekt selbst zu einem Protest geworden ist. Die Internet-Plattform www.everydayrebellion.com und die dazugehörige App lesen sich wie ein Handbuch zum zivilen, gewaltlosen Widerstand. Da werden konkrete Tipps und Anleitungen gesammelt, kuratiert und weiterverbreitet. Bereits sind etliche der Kurzfilme mit arabischen Untertiteln versehen und kursieren in der arabischen Welt.