Pierre (Jean Sorel) und Séverine (Catherine Deneuve), die erst seit Kurzem verheiratet sind, gelten als glückliches Paar und werden deshalb von ihrer Umgebung beneidet. Pierre arbeitet als Chirurg in einem Spital. Séverine bleibt sich selbst überlassen und gibt sich ihren bizarren Träumen hin. Als sie von einer Freundin erfährt, dass eine gemeinsame Bekannte in einem Bordell arbeitet, um Geld zu verdienen, lässt dieser Gedanke sie nicht mehr los.
Vorsichtig erkundigt sie sich bei Henri Husson (Michel Piccoli), einem Kollegen von Pierre, der ihr unverhohlen den Hof macht, nach einschlägigen Adressen. Von einem unerklärlichen Zwang getrieben besucht Séverine das Haus von Madame Anais (Geneviève Page). Ohne viel zu fragen, nimmt diese die schöne junge Frau in ihrem Kreis auf.
Geheimes Doppelleben
Von nun an führt Séverine ein Doppelleben, das ihr eine seltsame Befriedigung gibt. Am Nachmittag gibt sie sich fremden Männern hin, am Abend ist sie in ihrem eleganten Heim die perfekte Ehefrau. Dann aber entwickelt einer ihrer Stammkunden, ein schweigsamer junger Krimineller namens Marcel (Pierre Clémenti), tiefere Gefühle für sie. Er möchte sie aus dem Bordell herausholen, um sie für sich zu haben. Er findet ihre wahre Identität heraus und beschliesst zu handeln.
Der grosse spanische Surrealist Luis Buñuel hat in der damals 23-jährigen Catherine Deneuve die ideale Darstellerin für die skandalumwitterte Séverine in «Belle de jour» gefunden. Sie war die vollkommene Verkörperung einer Dame der guten Gesellschaft, die hinter ihrem kühlen Äusseren dunkle Leidenschaften verbirgt. Michel Piccoli, der seit «Le journal d'une femme de chambre» eine innige Freundschaft mit dem Regisseur verband, übernahm die Rolle des reichen, übersättigten Zynikers Henri Husson, der die Wahrheit über Séverine entdeckt und nicht davor zurückscheut, dieses Wissen auszunutzen.
Grösster kommerzieller Erfolg Buñuels
Buñuels unerbittliche Studie über die Verlogenheit und die pathologischen Obsessionen der bürgerlichen Gesellschaft wurde vom Publikum nicht nur mit Begeisterung aufgenommen. Dennoch wurde «Belle de jour» zum grössten kommerziellen Erfolg des Regisseurs.
Buñuel begann seine Karriere als einer der ganz Grossen des Kinos in den 1930er-Jahren mit dem surrealistischen Meilenstein «Un chien andalou» und beendete sie 40 Jahre später mit dem nicht minder provokativen «Cet obscur objet du désir».