Marcel Ranicki (Matthias Schweighöfer), polnischer Generalkonsul in London, wird 1949 vor den Geheimdienstoffizier Kawalerowicz (Sebastian Groth) zitiert, weil er sich mit «zersetzenden Elementen» abgegeben und der Partei geschadet habe. Um sein Tun zu rechtfertigen, muss er dem Beamten seine Lebensgeschichte erzählen.
1920 als Sohn des jüdischen Kaufmanns David Reich (Joachim Król) in Wloclawek an der Weichsel geboren, verbringt Marcel (Filip Jarek) seine frühen Lebensjahre bei Verwandten in Deutschland, dem «Land der Kultur», aus dem seine Mutter (Maja Maranow) stammt. Von ihr zu Höchstleistungen angespornt, macht er 1938 in Berlin das Abitur.
Die Anfeindungen des Nationalsozialismus sind allgegenwärtig
Die Anfeindungen des Nationalsozialismus sind allgegenwärtig, und als Jude darf Marcel nicht studieren. Ein Jahr nach seiner Wegweisung nach Polen marschieren die Deutschen in seiner Heimat ein. Die Juden werden ins Getto gesperrt, auch Marcel und seine Familie. Er selbst muss für den Judenrat die Korrespondenz zwischen deutschen und polnischen Behörden übersetzen. Im Juli 1942 ist er auch gezwungen, die Anweisung der SS zu übermitteln, die Juden von Warschau «nach Osten umzusiedeln», in die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka. Marcel, der als Mitarbeiter des Judenrats von dieser Massnahme ausgenommen ist, heiratet schnell seine Freundin Teofila, genannt Tosia (Katharina Schüttler), um sie vor diesem Schicksal zu bewahren.
Seine Eltern und seinen Bruder Alexander versucht Marcel zu verstecken, aber bald werden auch sie aufgegriffen. 1943 fliehen Marcel und Tosia aus dem Getto und werden bis zum Kriegsende von Polen versteckt. Nach der Befreiung Polens arbeitet Marcel für die polnische Geheimpolizei und nimmt den Namen Ranicki an, weil dieser weniger deutsch klingt. 1958 allerdings beschliesst Marcel, den Greueln der Nazis zum Trotz nach Deutschland zurückzukehren, jenes Land, wo er die Liebe zur Literatur kennengelernt hatte.
Deutschlands Literaturpapst
Man mag von ihm halten, was man will, aber an Marcel Reich-Ranicki führte bei literaturkritischen Diskussionen der letzten 50 Jahre kein Weg vorbei. Spätestens seit der Gründung der Fernsehsendung «Das Literarische Quartett» im Jahre 1988, die ihm erlaubte, nicht nur schriftlich, sondern auch audiovisuell mit seiner unnachahmlichen und parodiefreundlichen Diktion und seiner theatralischen Gestik über Freund und Feind zu referieren, etablierte er sich als Deutschlands Literaturpapst.
Er konnte hymnisch preisen, aber auch wutschäumend verdammen, bisweilen dieselben Autoren. In jedem Falle aber bewies er, dass Literatur Leidenschaft verdiente, und selbst wenn er ein Werk verriss, verkaufte es sich danach besser.
Autobiographie «Mein Leben»
Reich-Ranickis eigene schriftstellerische Fähigkeiten traten erst richtig zutage, als er 1999 seine Autobiographie «Mein Leben» veröffentlichte. Seine Memoiren schilderten ein bemerkenswertes und beeindruckendes Schicksal und wurden weit über Deutschland hinaus zum Bestseller.
In Drehbuchautor Michael Gutmann und Regisseur Dror Zahavi fand Reich-Ranicki zwei Filmschaffende, die seine Vita behutsam zu adaptieren verstanden. Laut Zahavi gab der grosse Kritiker ihnen nur im Vorfeld einige Gedanken zur Atmosphäre jener Zeit mit und liess sie dann machen; das Resultat fand er stimmig und bewegend. Matthias Schweighöfer, in letzter Zeit eher in Komödien wie «Zweiohrküken» und «Rubbeldiekatz» zu sehen, verkörpert den jungen Marcel mit Zurückhaltung und Feingefühl. Der Film schildert Marcels Geschichte bis zum Alter von 38 Jahren.
Reich-Ranicki selber blieb bis vor kurzem sehr aktiv. Der Tod Tosias 2011 allerdings raubte ihm die Freude am Leben und an der Literatur und vermutlich auch den Willen, gegen seine Krebskrankheit anzukämpfen. Am 18. September 2013 ist er mit 93 Jahren verstorben; ein Nachfolger von vergleichbarer Statur ist nicht in Sicht.