Unheimlich und amateurhaft – so das Urteil der Galeriebesucherin über die ausgestellten Bilder von kleinen Mädchen mit viel zu grossen Augen. Ganz genau, erwidert ihr Begleiter: «Deshalb mag ich sie».
1960 eröffnet die Keane Gallery in San Francisco. Nicht nur die Schickeria ist von den süsslich-sentimentalen Motiven angetan: Walter Keanes Bilder hängen bei Promis ebenso wie in gewöhnlichen Haushalten. Keane verkauft nicht nur teure Originale, er bringt auch billige Reproduktionen unter die Leute. Das freut die Postkartensammler und ärgert die elitäre Kunstkritik.
Wer steht hinter der Leinwand?
Was aber hat das grotesk überzeichnete Kindchenschema zu bedeuten? Die Augen seien die Fenster zur Seele, erklärt Walter Keane, deshalb male er sie so gross. Seine Frau Margaret erhebt Einspruch: Warum er lüge, fragt Margaret ihren Mann. Sie kennt die Wahrheit, denn nicht Walters Seele steckt in den Werken, sondern ihre eigene: Margaret Keane ist die wahre Schöpferin der «Big Eyes».
Mit seiner Filmbiografie erkundet Regisseur Tim Burton die abgründige Beziehung des Künstlerpaares Keane, das in den USA der Sechzigerjahre einen kommerziellen Grosserfolg feierte und schliesslich über die wahre, geheimgehaltene Urheberschaft der populären Bilder stolperte.
Nur der Pudel kennt das Geheimnis
Das Paar geht arbeitsteilig vor: Margaret malt, Walter bringt die Gemälde an die Kunden – und beansprucht den Ruhm für sich. Die Malerin lässt ihren Mann gewähren, weil sich «Frauenkunst» nicht verkauft. Der Familienpudel ist das einzige Lebewesen, dem sie ihr Geheimnis anvertraut.
Tim Burton weiss aus eigener Erfahrung, was es heisst, zur Marke zu werden – und von dieser nicht mehr loszukommen. Seit Jahren ist der Regisseur auf die Rolle des Filmexzentrikers abonniert, der skurrile Geschichten um liebenswerte Aussenseiter erzählt. Diese Marke wurde über die Jahre zur Masche.
Braver Burton
«Big Eyes» mag zunächst wie ein Befreiungsschlag wirken: Burton inszeniert die wahre Begebenheit ohne die surrealen Bildexzesse, die seine Filme sonst auszeichnen. Doch Christoph Waltz als windiger Walter Keane macht diese Zurückhaltung mehr als wett: Er trägt so dick auf, dass Amy Adams als Margaret ins Hintertreffen gerät. Ihr langer Weg aus der Abhängigkeit ist brav nacherzählt, erklärt und hinterfragt aber gar nichts.
Margaret, die zuletzt in den Fängen einer Sekte landet, emanzipiert sich eben nur zum Schein. Der Film wiederholt ein Muster, das sich durch das ganze Leben der Malerin zieht: Die Frau liefert den Stoff, aber im Rampenlicht stehen die Männer.