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Film & Serien Heidi, die liebste Schweizer Zeitmaschine

Hollywood hat «Heidi» 1937 mit Shirley Temple verfilmt und die Japaner landeten mit der animierten Serie «Alpenmädchen Heidi» 1974 einen Welterfolg. Stilbildend für das globale Heidi-Bild bleiben aber die zwei Schweizer Filme von 1952 und 1954, in denen Heinrich Gretler den Alpöhi verkörperte.

Mit einem Jodel auf der Tonspur fängt er an, der erste richtige Schweizer Heidi-Film, damals, 1952. Ein Heidi-Film für die Schweiz musste so tönen. Aber er sollte auch tönen wie ein richtiger grosser Kinofilm, mit Streichern und Drama im Orchester. Die Heimatfilm-Retrowelle traute sich wieder auf das Vorkriegskino zurückzugreifen. Also durfte Filmkomponist Robert Blum alles versuchen: ein wenig Ouvertüre, ein wenig Volksliedweise.

Berge sind besser als Bücher

Das Bild dazu: schwarz-weiss. Farbe war für die finanziell ausgedünnte Zürcher Praesens-Film noch keine Option. Das Bild kommt richtig schön bukolisch daher. Heidi (Elsbeth Sigmund) erwacht im Heustock beim Alpöhi und blickt durchs Fenster direkt auf die Berge. Draussen dengelt der Grossvater (Heinrich Gretler) schon die Sense. Aus dem Tal herauf hört man den Geissenpeter mit der Herde kommen.

Der Heidi-Film von 1952 von Regisseur Luigi Comencini verzichtet auf Heidis schwierigen Einstand beim Alpöhi, auf die Geschichte des Waisenmädchens, das den mürrischen Eigenbrötler auf der Alp erst erobern muss. Der Film setzt lieber gleich ein bei der Idylle. Schliesslich zielt er auch auf den deutschen Markt. Darum zelebriert der Film ganz putzig den Gegensatz von Zivilisation und Naturverbundenheit.

Der Geissenpeter erklärt Heidi, warum er keine Lust hat, Lesen zu lernen: Man müsse sich entscheiden, entweder für die Alp oder für das Lesen. Worauf die Kleine sehr bestimmt erklärt, dann wolle sie auch nicht lesen lernen. Nie.

Die Stadt macht krank

Dabei dauert es bloss 25 Minuten, bis der Film die Alp verlässt und wir mit Heidi in Frankfurt landen. Dort lernt das gesunde Naturkind das im Rollstuhl sitzende, kranke Stadtkind kennen – und die Irrungen übersteigerter Kultur in Gestalt der Gouvernante Fräulein Rottenmeier.

Zwar erobert die kleine Schweizerin den Haushalt im Sturm, aber das Heimweh nach den Bergen ist stärker als Bücher und das Essen mit dem richtigen Messer und der angemessenen Gabel.

Alle Register gezogen

Der Poker von Praesens-Film ging auf. Der Schweizer Heidi-Film war ein Erfolg, nicht nur bei den Schweizern, sondern auch in Deutschland, und später gar in den USA.

In Deutschland drehte man schon im Folgejahr mit der gleichen Besetzung einen weiteren Film und gleich darauf kam wieder die Schweizer Praesens-Film mit «Heidi und Peter» (Regie: Franz Schnyder). Das war 1954. Mit mehr Musik, mehr Bergen, mehr Schweiz und vor allem: in Farbe.

SRF-Produktion

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Die Filme «Heidi» (1952) sowie «Heidi und Peter» (1954) wurden von Praesens-Film in Zusammenarbeit mit SRF und der Cinémathèque Suisse restauriert und sind auf einer Doppel-DVD erhältlich.

Die deutsche Kultur kommt zur Kur

Das nun auch in Deutschland bereits etablierte Alpenidyll durfte diesmal voll ausgespielt werden. Mit dem fröhlichen Lehrer in der Albert-Anker-artigen Dorfschule zum Beispiel. Die beiläufigen, uneleganten Dialoge liefern neuen Zuschauern die nötigen Informationen. So fragt der Lehrer nach Heidis Befinden und erfährt, dass das Mädchen nun im Winter mit dem Alpöhi beim Geissenpeter und seiner Mutter wohnt.

Aber das wichtigste kommt dann natürlich wieder im Sommer: Der Besuch von Klara und Oma Sesemann auf der Alp. Die deutsche Kultur kommt zur Kur. Und alles wird gut. Klara kann wieder laufen, Peter hat Lesen gelernt. Und Heidi? Heidi ist jetzt bereit für die Japaner.

Kinostart: «Heidi» von Alain Gsponer: 10. Dezember 2015

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