Darf man über Adolf Hitler lachen? Was für eine dumme Frage. Charlie Chaplin und Ernst Lubitsch haben es bereits zu seinen Lebzeiten getan, und seither haben sich unzählige Komödianten mehr oder weniger hart an der Geschmacksgrenze ein Hitlerbärtchen unter die Nase geklebt.
Auf YouTube finden sich Hunderte von deutsch gesprochenen Videos mit Bruno Ganz in der Rolle von Adolf Hitler, die mit englischem Nonsense untertitelt sind: « Hitler takes too much Viagra », « Hitler finds out Chuck Norris is coming » oder « James Bond calls Hitler ».
Würde Hitler heute noch ernst genommen?
Stellen wir die Frage also neu: Hat Hitler als popkulturelle Witzfigur nicht langsam ausgedient? Wäre er heute unter uns, würde der schlimmste Verbrecher der Menschheit überhaupt noch ernst genommen?
Genau an diesem Punkt setzt die Verfilmung des Erfolgsromans «Er ist wieder da» an. Adolf Hitler erwacht aus ungeklärten Gründen im Berlin der Gegenwart und wird innert kürzester Zeit zum Medienphänomen: Seine bizarren Auftritte generieren zahllose Klicks auf Youtube, seine radikalen Ansichten steigern die Quoten von Talkshows. Und Hitler erschiesst im Affekt einen Hund, was anhand der Reaktion der Öffentlichkeit weit schwerer wiegt als alle vergasten Juden.
Bittere Erkenntnis: Hitler wäre heute ein Star
«Er ist wieder da» ist eine bissige Mediensatire, ein griffiger Kommentar zur Verblödung der Gesellschaft. Die Erkenntnis des Films ist bitter: Ein lebender Hitler wäre mit seinem braunen Gedankengut heute nicht nur gesellschaftsfähig, er wäre ein Star. «Hitler sells», könnte man sagen – und es stimmt ja auch: Der Roman «Er ist wieder da» war vor einigen Jahren Dauergast auf den Bestsellerlisten.
Die Verfilmung des Romans muss sich aufgrund dieser Sachlage natürlich an der eigenen Nase nehmen – schliesslich prangert sie den Ausverkauf von Hitler an, und macht dabei nichts anderes, als Hitler zu verkaufen.
Der Regisseur David Wnendt will das Problem lösen, indem er den Stoff auf eine Meta-Ebene verlagert: Der Roman «Er ist wieder da» kommt im Film vor, er wird von Hitler selbst geschrieben, und er wird auch – wie könnte es anders sein – verfilmt, und zwar mit Hitler als sich selbst in der Hauptrolle.
Koketterie statt Tabubruch
Diese Verschachtelung macht Sinn, aber sie führt auch dazu, dass «Er ist wieder da» zu einem Werk wird, das sich weitgehend mit sich selbst beschäftigt: Indem die Macher immer wieder die Frage in den Raum stellen, welche Scherze mit Hitler erlaubt sind, kommentieren sie letztlich ihre eigene Arbeit. Und statt Tabus zu brechen, kokettieren sie lediglich mit ihnen – unter dem sicheren Deckmantel der Selbstironie.
«Er ist wieder da» ist kein gewagter Film, aber ein gelungener. Nicht zuletzt der Hitler-Darsteller Oliver Masucci ist eine Wucht und der eigentliche Grund, sich den Film anzusehen. Er spielt nuanciert und schafft eine leise Form von Komik mit kleinsten Effekten. Die Marotten des Führers übernimmt er, aber ohne je in die billige Karikatur zu verfallen.
Entsprechend könnte man einwenden: Ist dieser Hitler nicht gar zu harmlos, zu menschlich dargestellt? Schon wieder so eine dumme Frage: Nur wer Hitler plump karikiert, verharmlost ihn – wer ihn sorgsam spielt, weist lediglich darauf hin, dass dieser Massenmörder tatsächlich aus Fleisch und Blut war.
Kinostart: 8.10.2015