Die dritte Staffel rund um Luc Conrad ist bald zu Ende. Eines ist schon jetzt klar: «Der Bestatter» hat den Writers' Room in der Schweiz endgültig aus der Taufe gehoben. Dabei hat der Begriff «Writers' Room» eine doppelte Bedeutung: Einerseits bezeichnet er den Ort, wo die Autoren die Serie ausdenken und schreiben. Vor allem ist damit aber der gemeinsame Ideenaustauch gemeint. Der Prozess, in dem die Serie entsteht. Nämlich im Kollektiv – und nicht alleine.
Die Autoren geben den Takt an
Serienautoren bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Vorgaben und Kreativität: Oft wird den Autoren die Grundidee von Auftraggebern vorgegeben. Die Aufgabe der Autoren beschränkt sich dann auf das Entwerfen eines Nebenstranges oder auf die Ausarbeitung eines Charakterdetails. Bei «Der Bestatter» hingegen legt man den Fortgang der Serie in die Hände der Autoren.
Das Wort der Autoren hat bei der Produktion Gewicht: «Im Zweifelsfall haben sie das Sagen», so Bettina Alber, Projektleiterin SRF Serien. Sie fügt hinzu: «Der Writers' Room ist entscheidend.» Man vertraut darauf, dass die Autoren, welche die Serie erfinden, ihr Universum am besten kennen. Die Autoren sollen über die Wendungen und den Fortgang der Seriengeschichte entscheiden.
Nichts Neues?
Beinahe alle grösseren und erfolgreichen Serien der letzten Jahre wurden in einem Writers' Room geschrieben: «The Wire», «Borgen», «Breaking Bad» und «Der Bestatter» – eine Auswahl die Serien-Aficionados das Herz höher schlagen lässt. Weshalb dieser Boom?
Christine Otto, Drehbuchautorin und Dozentin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin, meint: «Der Writers' Room ist überhaupt nicht neu. Alle Daily Soaps wurden schon immer in Writers' Rooms geschrieben. Eine Telenovela mit 240 Folgen im Jahr lässt sich gar nicht anders produzieren. So viele Geschichten kann nicht eine Person alleine bewältigen.»
«Der Umgang mit Kreativität hat sich verändert»
Otto betont aber, dass sich der Blick auf die Kreativität verändert habe: «Früher hiess es immer, wenn man in der Gruppe arbeitet, dann entstehe billiges Industriefernsehen. Dass ein starker Autor mit einer Vision fehlt.» Heute ist die Vorstellung verbreitet, dass sich komplexe Serien wie «The Wire» gar nicht anders entwickeln liessen. Während frühere Romanciers noch Jahre Zeit hatten, an ihren Ideen zu feilen, vergehe heute nur wenig Zeit zwischen Zusage und Erstausstrahlung: «Kreativität muss innert kürzester Zeit gebündelt und abgerufen werden.»
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Das hat Konsequenzen, wie die Serienexpertin sagt: «Es kann wirklich nicht jeder in einem Writers' Room arbeiten. Man darf sich dort nur im geringsten Mass eine Kreativitätspause oder kleine Schwächen leisten. In diesem hochspezialisierten Prozess muss man jeden Tag total fit sein und seine Kreativität abrufen können.» Sonst zerstöre man das ganze Team.
Nichts für Individualisten und Eigenbrötler
Der Writers' Room sei nichts für Leute, die ihre eigene Ideen realisieren möchten. Jeder und jede, die in einem Writers' Room arbeite, müsse sich jederzeit von seinen Vorstellungen der Geschichte lösen können, so Christine Otto.
Dieser Ansicht ist auch Dominik Bernet, der zusammen mit Claudia Puetz Headwriter von «Der Bestatter» ist. Sie haben die zweite und dritte Staffel der Serie geschrieben und sind verantwortlich für die Entwicklung der Geschichte. Neu ist man im Writers' Room des «Bestatters» aber zu viert: Simone Schmid und Thomas Eggel ergänzen Bernet und Puetz. Derweil die letzten zwei Folgen der dritten Staffel laufen, arbeitet man im Writers' Room bereits eifrig an der Fortsetzung – zu viert nehmen die Autoren die vierte Staffel in Angriff.