«Big Girls don’t cry… ei… ei», das ist einer der Evergreens von Frankie Valli und den Four Seasons. Und einer jener Hits, durch die die vier jungen Männer aus New Jersey 1962 zur grössten Pop-Sensation vor den Beatles wurden. Damals spielte der junge Clint Eastwood in der Western-Serie «Rawhide» den Cowboy Rowdy Yates – im Film ist ein kurzer Moment aus der Serie auf einem Fernsehschirm zu sehen – und wartete auf seinen eigenen grossen Durchbruch.
Milieu-Geschichte aus der Mafia-Nachbarschaft
Ganz ähnlich wie der junge Francesco Stephen Castelluccio in New Jersey, der überzeugt war, als Sänger dem grossen Frank Sinatra den Rang ablaufen zu können. Aber zunächst verdiente er seine Brötchen ganz brav beim Quartier-Barbier, wo ihn auch der lokale Mafia-Pate schätzen lernte. Und schliesslich schaffte es Castellucio ja tatsächlich, mit dem Pseudonym Frankie Valli und mit seiner einzigartigen Falsett-Stimme.
Clint Eastwood inszeniert mit «Jersey Boys» eine amerikanische Aufsteiger-Geschichte aus seiner eigenen Aufstiegszeit. Und gleichzeitig inszeniert er die typische Milieu-Geschichte, wie wir sie aus der Godfather-Trilogie oder aus den Filmen von Martin Scorsese kennen. Denn diese Jersey-Boys, die als The Four Seasons berühmt werden, kommen aus der gleichen italienisch geprägten Mafia-Nachbarschaft.
Der erste Erzähler im Film ist Bandleader und Gründer Tommy DeVito. Für junge Männer wie sie, erzählt DeVito, gab es damals bloss drei Möglichkeiten, überhaupt aus Jersey wegzukommen: zur Armee gehen, Gangster werden – oder berühmt.
Und genau das ist dann schliesslich das Problem der Four Seasons: Berühmt werden sie tatsächlich. Aber bei Tommy dominiert die Gangster-Seele die des Musikers, und darum folgt auf den schnellen Erfolg auch das baldige Ende. Übrig bleiben nur zwei der Vier: Frankie Valli und Hit-Komponist Bob Gaudio.
Klassisch und nah an der Vorlage
Der gleiche Bob Gaudio übrigens, der im Jahr 2000 das Musical «Jersey Boys» konzipierte und schliesslich im Jahr 2005 erfolgreich produzierte. Als sogenanntes Jukebox-Musical, also eines, in dem die Original-Songs plausibel auftauchen, an Konzerten oder im Aufnahmestudio, nicht als Handlungselemente.
So setzt auch Clint Eastwood den Stoff um, elegant und klassisch, und er bleibt dabei nahe an der Vorlage. Die vier Protagonisten als Erzähler hat er beibehalten, allerdings kommentieren sie im Film eher, und dies direkt von der Leinwand ans Publikum gewandt.
«Jersey Boys» ist in erster Linie ein Nostalgie-Stück: ein Film, der zurückblendet in die Blütezeit der modernen Musik-Industrie. Aber die Nostalgie bleibt dabei halbwegs realistisch: Neben der Musik, den Kleidern und den Autos mit den grossen Heckflossen kommt die Milieuzeichnung durchaus zu ihrem Recht.
Und wer mag es dem heute 84-jährigen Clint Eastwood verargen, wenn seine Sympathie ganz eindeutig beim heute 80-jährigen Frankie Valli liegt?
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 30.07.2014, 17:10 Uhr.