Endlose Wüstenlandschaft. Scheinbar unberührte Natur. Der Dokumentarfilm «Broken Land» beginnt stimmig und ruhig. Dann rasen zwei Autos durch das Bild. Die Fahrzeuge erinnern an ferngesteuerte Spielzeuge für Kinder, nur sind sie viel grösser. Ihre Insassen johlen, die Bewegung der Dünen wirft sie auf und ab. Die US-Flaggen an den Autos wirbeln heftig im Wind.
Wir sind im Süden von Arizona. In der Ferne zieht sich ein schwarzer Streifen durch die cremefarbige Einöde. Welches Flugzeug, welches Naturschauspiel wirft eine solche Schattenlinie? Es ist keines der beiden, sondern die Grenze. Die kilometerlange Mauer zwischen den USA und Mexiko.
Paranoia und Horror
Wir kennen die Problematik aus den Nachrichten. Die illegalen Einwanderer aus Mexiko, von denen viele auf der Reise in die USA ihr Leben verlieren. «Broken Land», von den Schweizer Filmemachern Stéphanie Barbey und Luc Peter, zeigt das Leben im Schatten der Mauer – aus Perspektive einer kleinen amerikanischen Gemeinde.
Gemeindebewohner Richard Hodges überprüft die zwölf Kameras, die sein Gelände sichern. Putzt jede Linse gründlich. Seine Frau sitzt zeitgleich im Wohnzimmer und beobachtet die Monitore. Über Walkie-Talkie fragt er sie, ob alles scharf ist. Was wie eine ernstzunehmende Operation wirkt, ist ihr persönliches Sicherheitsprogramm. Um sich vor der angeblichen Bedrohung durch die Mexikaner zu schützen.
Das Flackern des schwarz-weissen Monitorbildes. Die spannungsvolle Musik. Schon zu Beginn bekommt «Broken Land» die Note eines Horrorfilms – was später weniger vordergründig ist, aber trotzdem mitschwingt. Beklemmend. Hodges hat sich auch im Schlafzimmer abgesichert: zwei Waffen, je eine auf beiden Seiten des Betts. Als Zuschauer fühlt man sich zunehmend unwohl. Da meint Hodges: «Es handelt sich nicht um Paranoia, sondern um eine Lebensweise.»
Mexikaner sind Geister
Die Grenzpolizisten und verängstigten Bewohner sprechen von der Mauer. Von der Gefahr, die auf der anderen Seite lauert. Stilistisch schafft es der Film wunderbar, diese angebliche Bedrohung einzufangen. Nicht etwa, indem die Kamera auf illegale Einwanderer gerichtet wird. Nein, die Gefahr ist ein Geist. Ein Phantom, über das gesprochen, auf das geschossen wird und vor dem man sich schützen muss.
Die illegalen Einwanderer werden als Opfer gezeigt, als Leichen, die in der Wüste eingesammelt werden, nachdem sie verdurstet oder verfroren sind. Ein Leichenschauhaus kümmert sich darum, die gefundenen Skelette zu untersuchen und die Familien der vermissten Personen zu benachrichtigen.
«Broken Land» begleitet aber auch Amerikaner, die gegen die Abschottung ankämpfen. Ex-Hippies, die nahe der Mauer Wasser verstecken. Viehtreiber, die den Austausch mit den mexikanischen Berufskollegen vermissen. Der Konflikt wird facettenreich dargestellt – inhaltlich, aber vor allem auch filmisch. Die Kamera führt uns zur Mauer, zu den Überwachungstürmen. Wir blicken durch die Sichtschlitze des Bollwerks aus Metall. Die Mauer wird selbst zum Darsteller und unterstützt den Erzählduktus des Films. Beeindruckend.