Auch nach einem halben Dutzend gemeinsam geschriebener und inszenierter Spielfilme ist ihr Humor immer noch gewöhnungsbedürftig: Die französischen Filmemacher Benoît Delépine und Gustave Kervern («Louise-Michel», «Mammuth») stehen seit jeher für schmucklose Post-Punk-Posse.
Zwischen absurdem Theater und Trash-Komik zelebrieren die beiden Autoren ihre Hassliebe gegenüber dem ländlichen Frankreich und seiner oft etwas zurückgebliebenen Bewohnerschaft.
Situationskomik ohne Plan
Das kann man als erfrischend anti-intellektuell empfinden, als nonkonformistisch, als radikale Absage an die formatiert-pointierte Humormaschine des restlichen französischen Komödienkinos. Manchmal beschleicht einen aber auch das Gefühl, dass die beiden es schlicht nicht besser können.
Präzises Timing scheint sie nicht zu kümmern, ihre Situationskomik kommt manchmal planlos und schwerfällig daher. Alles wirkt irgendwie so, als sei es im geschriebenen Drehbuch einst lustiger gewesen als im fertigen Film.
Kotzbrocken zum Liebhaben
Vielleicht fallen diese formalen Schwächen bei «Saint Amour» stärker ins Gewicht als bei früheren Filmen des Duos. Die grundsätzliche Sympathie für asoziale Aussenseiter, welche die beiden Regisseure seit jeher durchschimmern lassen, nimmt diesmal deutlicher als in den Vorgängern die Züge einer Apologie an.
In anderen Worten: Diesmal erwarten Delépine und Kervern im Ernst von ihrem Publikum, dass es die von ihnen vorgeführten Kotzbrocken ab einem gewissen Punkt ins Herz schliesst. Dabei haben wir es in «Saint-Amour» einmal mehr und unmissverständlich mit zwei kompletten Versagern zu tun.
Es wird gebechert
Der in die Jahre gekommene Bauer Jean (Gérard Depardieu, mit schlohweissem Haar) muss zusehen, wie sein Sohn Bruno (Benoît Poelvoorde) an einer Landwirtschaftsmesse einen alkoholbedingten Totalabsturz erleidet.
Chauffiert von einem Pariser Taxifahrer (Vincent Lacoste) unternehmen Vater und Sohn daraufhin eine Frankreich-Weinreise, die ihre brüchige Beziehung kitten soll.
Und so wird weiter gebechert in trostlosen Landschaften, bis nach und nach Lichtstrahlen in diese Ödnis eindringen: Sowohl Jean als auch Bruno machen die Bekanntschaft von auffallend attraktiven Frauen, an denen sie emotional wachsen werden.
Zwischen Zote und Märchenhaftigkeit
«Saint Amour» ist nicht frei von Momenten, die aufrichtig komisch und manchmal sogar herzergreifend sind – insbesondere weil Depardieu und Poelvoorde bei allem Hang zum Herumalbern die Tragik ihrer Figuren nie aus den Augen verlieren.
Aber der volle Einsatz der beiden Darsteller reicht letztendlich nicht, um in dieser alkoholumnebelten Irrfahrt ein gutes Gleichgewicht herzustellen zwischen den plumpen, vulgären und zynischen Sequenzen und dem märchenhaften Subtext einer späten Reise ins Liebesglück.
Die Musik spielt etwas anderes
Zudem stellt sich die Frage, ob es wirklich eine gute Idee war, den Soundtrack zum Film ausgerechnet dem Pop-Wundertier Sébastien Tellier anzuvertrauen: Dieser verweist mit seinen beigesteuerten Stücken geschickt auf die barock-jazzige Art von Filmmusik, wie sie Vladimir Cosma und Philippe Sarde in den Siebzigern schrieben.
Das klingt beschwingt, melancholisch und sogar frech. Umso stärker fällt ins Gewicht, dass die gesprochenen Dialoge eine solche Leichtigkeit nur ganz selten erreichen.
Kinostart: 13.10.2016
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 14. Oktober 2016, 16.50 Uhr