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Film & Serien «Kein Superstar, aber einer, den man brauchen kann»

Schauspieler Mathias Gnädinger sagt von sich selbst, er sei zwar «kein Superstar», aber man könne ihn immer noch brauchen. Wofür genau, was seine Vorbilder sind und wie Gnädinger sich selbst einschätzt, erfahren Sie im zweiten Teil des Interviews.

Herr Gnädinger, in Ihrer Rolle als Kommissär Hunkeler können Sie nicht loslassen. Können Sie die Schauspielerei loslassen?

Klar könnte ich. Obwohl… Ich wollte ja, aber meine Frau schickt mich immer zum Arbeiten. Sie sagt, das tue mir gut. Ich würde ihr sonst in Stein am Rhein nur im Weg herumstehen und wüsste nicht, was ich machen soll.

Ich sage das zwar, dass ich aufhören möchte – und ich möchte auch. Texte zu lernen, «da isch so en huere Schiissdräck». Dabei kann ich‘s eigentlich saugut... Aber das Drehbuch in die Hände zu nehmen, das stinkt mir so. Zu Hause kann ich keinen Text lernen: Da nehm ich einen Text zur Hand und denke, ich könne daneben noch eine Sauce zubereiten. Ich schneide Zwiebeln, lege den Text neben mich, kucke ein wenig... Ich wiederhole einen Satz drei, viermal und schneide meine Zwiebeln. Sofort vergesse ich den Text, merke, dass die Küche staubig ist und die Fenster nicht sauber sind. Dann beginne ich mit Fensterputzen – am Schluss ist die ganze Wohnung sauber und ich hab kein Wort Text gelernt!

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Was ist die Alternative?

Ich muss hinausgehen und irgendwohin fahren, wo ich nicht so schnell wieder daheim bin. Bei mir dauert es etwa zehn Minuten, bis die Sätze im Gedächtnis zu haften beginnen. Um mich zu konzentrieren, habe ich ein paar Routen in der Gegend um Stein am Rhein, wo ich lebe. Dann gehe ich runter an den Rhein oder zum Kloster, wo ich zwei der Patres kenne: Dort hab ich meine Ruhe.

Fällt es Ihnen heute schwerer, Text zu lernen?

Ja, früher musste ich den Text einmal lesen und dann konnte ich ihn. Da war man noch so geil drauf, die drei Sätze zu sagen, die man als Anfänger hatte. Doch ich hab meine Fähigkeiten nie gut vermarktet. Als ich mal die Rolle des «Adam» (Im Zerbrochenen Krug) gespielt hatte und den Text mit seinen 1800 Zeilen endlich beherrschte, lehnte ich das Angebot ab, das Stück an einem anderen Theater nochmals aufzuführen – obwohl das finanziell reizvoll gewesen wäre. Ich war zu ehrgeizig und wollte nicht dasselbe Stück des Geldes wegen an einem anderen Theater nochmals spielen. Ich ging dann schauen, als es ein anderer gespielt hat – natürlich fand ich‘s nicht gut!

Sind sie sehr kritisch mit ihren Kollegen?

Je nach Leistung. Ich sag nicht bloss, alle anderen Schauspieler seien schlechter als ich. Ich weiss schon ungefähr, wo ich hingehöre.

Wohin denn?

An der Berliner Schaubühne war ich neben Peter Fitz, Otto Sander und Bruno Ganz natürlich schon ein kleineres Licht – das wusste auch der Regisseur Peter Stein. Wenn ich von Anfang an beim Ensemble gewesen wäre, hätte ich vielleicht auch zu dieser Gilde gehört. Da ich später dazu gestossen bin und manchmal eine grosse Schnorre hatte, haben mich die Kollegen nicht ganz für voll genommen, aber sie waren meine Vorbilder.

Bruno Ganz war natürlich der grösste Schaffer von uns allen, der ist ein ehrgeiziger Siech. Was der auswendig gelernt hat, das geht auf keine Kuhhaut! Er aber konnte es – und kann‘s immer noch.

Zur Person

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Mathias Gnädinger, ein Buch lesend.
Legende: SRF / Oscar Alessio

Mathias Gnädinger, geb. 1941 in Ramsen/Schweiz, ist ein Schweizer Theater-, Film- und Fernsehschauspieler. Gnädinger wuchs in bäuerlichem Milieu in Ramsen, einem kleinen Dorf in der Nähe von Stein am Rhein auf. Für sein Schaffen wurde der Volksschauspieler Gnädinger mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Welche Regisseure waren wichtig für Sie?

Die drei grossen Regisseure Luc Bondy, Klaus Michael Grüber und Peter Stein waren für mich sehr wichtig an der Schaubühne. Sie haben mich sehr unterstützt – als die aufhörten, ging ich auch.

Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Qualität eines Regisseurs?

Gute Regisseure wie Peter Stein, Markus Fischer oder Christian von Castelberg nehmen das, was man ihnen als Schauspieler anbietet. Das wird dann gemeinsam weiterentwickelt. Sie nötigen einen nicht, sondern lassen erst was entstehen und arbeiten dann damit.

Ihr Onkel hat Sie damals zur Schauspielerei gebracht, indem er Sie ohne ihr Wissen an einer Schauspielschule anmeldete. Mit 72 gehören nun Sie der ältesten Generation an. Was geben Sie den Jungen weiter?

Meine Kinder und Nichten gehen ihren Weg selber, da muss ich nichts dazu tun. Oft erhalte ich jedoch Briefe von jungen Leuten, die von mir wissen wollen wie man Schauspieler werden könne. Die denken, ich könne sie sofort irgendwo unterbringen, doch das ist alles andere als einfach. Ich habe deshalb einen Standardbrief verfasst mit Informationen zu Schauspielschulen und was es alles für Möglichkeiten gibt. Dazu schreibe ich noch was Persönliches – Es liegt jedoch nicht in meiner Macht, jemanden zu pushen.

Bleiben wir beim professionellen Nachwuchs: Wollten Sie nie an einer Schauspielschule unterrichten?

Nein, ich bin ganz sicher kein guter Schauspiellehrer! In meiner Ausbildung habe ich einen Haufen schlechter Lehrer erlebt. Die unterrichteten bloss, weil sie ein bisschen was dazuverdienen mussten. Sie mochten zwar unterhaltsam gewesen sein mit ihren Geschichten und Anekdoten, aber gelernt haben wir Schüler dabei nichts. Ausserdem kann ich nicht vor eine Klasse hin stehen und so tun, als ob ich etwas wüsste, das ich vermitteln könnte. Da fehlt es dann vielleicht auch wieder am Intellekt.

Wie schätzen Sie sich selbst ein?

Ein Superstar, ein ganz grosser Schauspieler bin ich nicht. Aber einer, den man brauchen kann. Ich könnte keine Figur aus einer griechischen Tragödie spielen. Das muss näher an mir dran sein: So was wie ein Hunkeler oder der Dorfrichter Adam im «Zerbrochenen Krug». Was es halt alles so gibt, eher «Bauernrollen».

Warum es eher Bauernrollen sind, die Mathias Gnädinger zusagen, erfahren Sie im dritten und letzten Teil des Interviews nächsten Freitag, 19. Juli 2013.

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