Alles bloss Hollywood, amerikanischer Einheitsbrei: In den 1980er-Jahren gelangten kaum Filme aus Afrika oder Asien in unsere Kinos. «Wenn, dann waren es asiatische Kung-Fu Filme», sagt Martial Knaebel, künstlerischer Direktor des Internationalen Filmfestivals Freiburg von 1992 bis 2007. Grosse Festivals wie Berlin, Venedig und Cannes räumten unbekannten Filmemachern wenig Platz ein. «Man hatte das Gefühl, dass etwas fehlt», so Knaebel. Deshalb entstanden in ganz Europa kleinere Festivals. Sie zeigten unbekannte Filme aus dem Süden und Osten.
Missionarischer Hintergrund
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Die Idee zum Internationalen Festival Freiburg stammt von der verstorbenen Magda Bossy. Die gebürtige Ägypterin war Westschweizer Sekretärin des Hilfswerks Helvetas.
In Freiburg fand das Festival guten Nährboden. In der Stadt habe es damals wenig kulturelle Abwechslung gegeben, erklärt Knaebel. Und Freiburg sei zudem sehr katholisch gewesen. «Wir hatten ein Publikum für Drittweltfilme», so der ehemalige Festivaldirektor. Diese Filme seien meist unter wirtschaftlich und politisch schwierigen Umständen entstanden. Inhalt und Form seien entsprechend gewöhnungsbedürftig gewesen, erzählt Knaebel weiter. «Die Filme zeigten eine Realität, die einigen Zuschauern nicht behagte».
Mehr Abwechslung und Action
Seit der Jahrtausendwende zeigt das Filmfestival auch Filme aus Europa und Nordamerika. Unter dem jetzigen künstlerischen Direktor Thierry Jobin hat sich diese Tendenz verstärkt. Der Antikolonialismus der 68er sei heute vorbei, sagt er. Die Welt habe sich globalisiert. Randgesellschaften gebe es heutzutage überall. «Die sogenannte Dritte Welt finden wir an unseren Bahnhöfen». Die Abstimmung über die Masseneinwanderung habe es nochmal gezeigt: «Es ist wichtig ist zu erfahren, wie andere Menschen leben». Auch die, die in unserer Nähe wohnen.
Thierry Jobin setzt auf Diversität und hat keine Berührungsängste mit publikumswirksamen Filmen. Western und Sportfilme standen die letzten Jahre auf dem Programm. Dieses Jahr sind nebst iranischen Filmen auch Katastrophenfilme ein Schwerpunkt. Vom südkoreanischen Thriller bis zum japanischen Dokumentarfilm über Fukushima hat alles seinen Platz. Die Seele des Festivals habe er damit nicht verkauft, findet Jobin: «Ein Katastrophenfilm kann auch politisch sein». Die Filme müssen aber inhaltlich und auch filmtechnisch überzeugen, so Jobin.
Auf Tuchfühlung mit Filmemachern
Der Erfolg spricht für ihn. Letztes Jahr verzeichnete das FIFF mit 36‘000 Eintritten einen Besucherrekord. Das Publikum hat sich zudem stark verjüngt. 10‘000 Schülerinnen und Schüler besuchen mittlerweile jedes Jahr das Festival. Man lege sehr viel Wert auf die Vor- und Nachbearbeitung der Filme in den Schulklassen, erklärt Esther Widmer, administrative Direktorin am FIFF. «Das ist eine Investition in die Zukunft».
126 Filme aus 46 Ländern sind dieses Jahr in Freiburg zu sehen, in Kinos in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs. So kommt eine richtige Festivalstimmung auf. In Freiburg sind auch 50 Filmschaffende persönlich anwesend. Das Publikum kann so den direkten Austausch pflegen. Und Filmverleiher nutzen das internationale Filmfestival als Plattform. Neun Filme, die dieses Jahr am FIFF gezeigt werden, kommen danach in die Schweizer Kinos. Auch das ist ein Rekord.