Regisseurin Esen Isik konnte nicht mehr schweigen. Im Jahr 2008 wurde die Performance-Künstlerin Pippa Bacca in der Türkei vergewaltigt und ermordet. Isik schrieb ihre Wut darüber in ein Drehbuch. Es war die Wut über eine Gesellschaft, die noch im 21. Jahrhundert Gewalt an Frauen als gottgegeben akzeptiert. «Köpek» heisst der Film. Es ist der erste Spielfilm von Esen Isik, einer Schweizerin mit türkischen Wurzeln. Jetzt kommt er in die Schweizer Kinos.
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Der Film erzählt in drei Alltagsgeschichten von den Schattenseiten der türkischen Gesellschaft. Da geht es um einen armen Taschentuchverkäufer, der in ein Mädchen aus gutem Hause verliebt ist. In der zweiten Geschichte leidet eine Mutter und Ehefrau unter ihrem gewalttätigen Ehemann. Und in der dritten Geschichte sehnt sich eine schöne Transsexuelle nach der wahren Liebe.
Istanbul – eine tolerante Stadt?
Die drei Protagonisten des Films haben nichts miteinander zu tun. Ihre Wege kreuzen sich nur flüchtig in Istanbul. Die türkische Metropole zählt zu den tolerantesten Orten der islamischen Welt. Doch desto länger man die Figuren in ihrem Alltag begleitet, umso mehr bröckelt diese Fassade der Toleranz. Die Hausfrau muss öffentlich zwar kein Kopftuch tragen, doch ohne männliche Begleitung wird sie bei jeder Gelegenheit belästigt. Und obwohl Homosexualität in der Türkei seit über 100 Jahren legal ist, muss die Transsexuelle täglich um ihr Leben fürchten.
Es sind Geschichten, die einen spüren lassen, wie es sich anfühlt in einer Gesellschaft zu leben, in der die Stärkeren über das Leben der Schwächeren bestimmen. «Die Figuren sind symbolische Figuren, die unter der sozialpolitischen Lage in der Türkei leiden», sagt Regisseurin Esen Isik.
Nur Weichlinge retten Welpen
Das Hauptthema in Isiks Film ist Gewalt. Nicht nur körperliche, sondern auch Gewalt in Form von Diskriminierung. Das sieht man in der Geschichte vom kleinen Taschentuchverkäufer. Als er einen Welpen retten will, erntet er für seine Sensibilität nur Verachtung. Ist der Welpe ein Zeichen für die Wehrlosigkeit der Charaktere? Ganz und gar nicht. Die Figuren zeigen Stärke und Mut, sie stehen auf ihre Weise für ein selbstbestimmtes Leben ein. Das geht unter die Haut.
Kinostart: 10.12.2015