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Die Schauspieler Mike Müller, Michael Neuenschwander und Markus Merz sitzen auf ihren Velos.
Legende: Velokuriere in ihren besten (?) Jahren: Mike Müller, Michael Neuenschwander und Markus Merz (v.l.). Filmcoopi Zürich

Film & Serien Mit 70er-Slogans gegen den Velokurier-Kapitalismus

Jahrelang lief alles rund für die Jungs von der Zürcher Velokurier-Genossenschaft. Bis die Konkurrenz der Girls-Messenger auftauchte. Jetzt sind sie als Mittvierziger plötzlich die Allerletzten – die «Dead Fucking Last». Eine Schweizer Kinokomödie.

Punk ist nicht tot. Er ist bloss ein wenig fett geworden, hat Kinder bekommen - und Konkurrenz. Die Jungs von der Zürcher Velokurier-Genossenschaft «Die Genossenschaft» sind keine Jungs mehr. Tom (Michael Neuenschwander), Ritzel (Markus Merz) und Andi (Mike Müller). Zwanzig Jahre lang waren sie die konkurrenzlosen Platzhirsche im Velokurierbusiness.

Aber jetzt ist Konkurrenz aufgetaucht. Die «Girls.Messengers» schnappen ihnen die Kunden weg: Sie sehen nicht nur besser aus, sie riechen auch nach einem harten Tag auf dem Bike noch besser - und sie machen Werbung. Mit Plakaten. Mit anderen Worten: Die Frauen frönen dem Kapitalismus.

Drehbuchautor aus Solothurn

Für seinen ersten grossen Kinofilm hat sich der in Solothurn aufgewachsene Drehbuchautor Uwe Lützen einen originellen Brocken vorgenommen: Was ist aus unseren bewegten Träumen aus den bewegten 80er-Jahren geworden? Wie tönen die Slogans von 1979 aus dem Mund eines 45Jährigen?

«Macht kaputt, was euch kaputt macht». Die solidarische, genossenschaftliche «Velorution» gegen die «Filofaxfigger» muss der Konkurrenz zum Trotz wiederbelebt werden, die bröckelnde Kundschaft soll mit Hilfe einer «Solidisco» mit Punk-Konzert und Bier an die wahren Werte erinnert werden. Dass diese Idee nicht funktioniert, versteht sich von selber.

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Tempo und Stimmung. Aber nicht immer.

Das wird allerdings weniger zum Problem des Films. Denn was Regisseur Walter Feistle mit einer wahrhaft solidarischen, fast schon genossenschaftlich selbstorganisierten Crew und einem viel zu kleinem Budget auf die Beine gestellt hat, das lässt sich sehen.

Es gibt Szenen mit packendem Tempo, etwa das Freistil-Velorennen der Kuriere im Industriegelände, mit dem der Film eröffnet. Es gibt Momente voller Komik. So bleibt der Abwasch nach dem genossenschaftlichen Spaghetti-Essen an Chef Tom hängen. Und wenn der gleiche Tom eine der Konkurrenzfahrerinnen per Funk durch Zürich lotst, weil das GPS-System der «Girls.Messenger» ausgestiegen ist, dann gerät diese kommentierte Hatz zum atemlosen Vergnügen.

Aber die stimmigen Momente, jene, die von Melancholie oder bissigem Galgenhumor zeugen, werden eingefasst in komödiantische Versatzstücke, die der geplanten Struktur des Films geschuldet sind.

Das Filmplakat von «Dead Fucking Last» zeigt die drei Hauptdarsteller auf ihren Velos.
Legende: «Wer bremst, verliert»: Das Filmplakat von «Dead Fucking Last». Filmcoopi Zürich

Der Plot bleibt mechanisch

Dass sich Tom in die von Oriana Schrage durchaus einnehmend gespielte Chefin der Konkurrenz verliebt, sorgt zwar für die nötigen emotionalen Zwickmühlen, ebenso wie der vom grossartigen Roeland Wisnekker verkörperte Fat Frank, einst Mitglied der Genossenschaft, heute aber nur noch der als «s'Arschloch» bezeichnete Gegenspieler, der als erfolgreicher Werber auf die Seite des Bösen gewechselt hat.

Aber diese der Form der Komödie zudienenden Figuren ausserhalb des Trios Tom, Ritzel und Andi bleiben funktional und plakativ. Ihre jeweilige Motivation wird eher behauptet als vorgeführt. In einer klassischen Komödie, die vor allem auf Tempo und Kontraste setzt, wäre das wohl kein Problem. Aber bei «Dead Fucking Last» entsteht eine Diskrepanz zwischen den grossen Stärken des Films und dieser eher mechanischen Plotmaschinerie.

Wirklich stark ist der Film nur dann, wenn die drei Hauptfiguren das Lebensgefühl ihrer bewegten Jugend aufleben lassen. Ein besoffenes Punkkonzert oder das bierselige Nacktschwimmen mit Arschblitzern im Fluss: Das sind die Szenen, die in Erinnerung bleiben.

Herzschlag auf Schienen

In diesem Momenten erinnert der Film an das Frühwerk des Zürchers Christoph Schaub, an Kleinode wie «Wendel» (1987) oder «Dreissig Jahre» (1989). Heute macht Schaub mit dem erfolgreichen Ex-Werber Martin Suter als Drehbuchautor Filme wie «Giulias Verschwinden» (2009) oder «Nachtlärm» (2012) und verkörpert damit sozusagen persönlich die Veränderungen, von denen «Dead Fucking Last» erzählt.

Mit den drei wirklich hervorragenden Hauptdarstellern gelingen Regisseur Walter Feistle und Drehbuchautor Uwe Lützen etliche Momente der Melancholie, der wehmütigen Komik und auch solche mit einer gewissen Bissigkeit. Diese Szenen machen das Herz des Films aus, und dieses Herz ist gross und schön.

Dass die Bühne, auf der man es klopfen sieht, zuweilen noch eher an eine Modelleisenbahn erinnert als an den unaufhaltsamen Zug der Zeit, geht wohl nicht zuletzt auf den Lernprozess von Drehbuchautor Uwe Lützen zurück. Es braucht Erfahrung, um die dramatische und komödiantische Mechanik eines Plots zu verstecken. «Dead Fucking Last» zeugt davon, dass sich alle Beteiligten auf dem besten Weg befinden.

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