Der Film «Muhammad» von Majid Majidi sollte am Fajr-Festival in Teheran gezeigt werden. Ist im Iran also ein Film über Mohammed möglich, obwohl der Prophet im Islam eigentlich nicht dargestellt werden darf?
Amin Farzanefar: Der Iran hat traditionell ein ganz entspanntes Verhältnis zur Darstellung der Heiligen. Es gibt historische Bilddarstellungen von Heiligen-Legenden und auch aus dem Leben des Propheten. Die Islamische Republik Iran geht seit der Revolution 1978/79 recht streng mit der Darstellung des Propheten um – sie ist verboten.
Es gab einen Mohammed-Film Ende der 1970er, in dem man den Propheten aber gar nicht sah. Man schaut ihm über die Schulter, nimmt durch die Kamera-Subjektive den Blick des Propheten ein, oder man sieht nur seine Silhouette. Die Darstellung war eher abstrakt, mystisch. Das kann man bei Majid Majidis Film nur vermuten: Der Film wurde breit angekündigt und mit Superlativen beworben: Es sei der teuerste iranische Film aller Zeiten, habe eine internationale Crew von Weltrang. Und dann wurde er einfach nicht gezeigt.
Mit welcher Begründung?
Die Gerüchteküche in Teheran kocht immer ziemlich wild. Man hat verschiedene Gründe genannt: Der Film sei nicht ganz fertig geworden, heisst es etwa. Aber da er seit einem Jahr im Schnitt ist, ist das nicht ganz nachvollziehbar. Eine andere Erklärung ist, dass man befürchte, der Film sei nicht gut geworden: Man wolle ein künstlerisches Scheitern dieses Prestigeprojekt vermeiden, indem man es gar nicht an die Öffentlichkeit gelangen lässt.
Ein wichtiger Punkt sind auch die Differenzen mit sunnitischen Geistlichen, die al-Azhar-Moschee in Kairo soll protestiert haben. Und die IS, die gar nicht gut auf Schiiten und den Iran zu sprechen ist, könnte auch als drohender Faktor im Hintergrund stehen. Eine weitere Erklärung ist, dass man künstlich einen Event schaffen wolle: Der iranische Film-Jahrgang war eher lau, und mit dem Geheimnis um diesen Film wolle man nochmals etwas Aufmerksamkeit erzeugen.
Der Film hätte an der 33. Ausgabe des Fajir-Festivals gezeigt werden sollen. Wie positioniert sich das Filmfestival heute?
Das Festival hat eine Menge erlebt: Den Iran-Irak-Krieg, kulturfeindliche Staatspräsidenten, die Verhaftung zahlreicher Filmschaffender. Nun wurde der internationale Wettbewerb auf April verschoben, wie es heisst. Dieser bringt klassischerweise Filme und Filmschaffende aus der ganzen Welt nach Teheran. Auch der Festivalmarkt wurde abgesagt, also die Plattform für ausländische Kuratoren, Festivalpräsidenten und Journalisten, um mit iranischen Verleihern und Filmemachern in Austausch zu treten und dann die Filme ins Ausland zu bringen.
Diese Selbstdemontage des Festivals wird unterschiedlich gedeutet. Man befürchtet eine Abschottung der Filmschaffenden durch das Regime und das Kultusministerium. Eine andere Erklärung ist viel einfacher: Man habe – auch in Folge der Sanktionen – gerade kein Geld.
Gab es am Festival trotzdem die erhofften kleinen und grossen Meisterwerke zu sehen, die in den letzten Jahren immer wieder aus dem Iran kamen?
Man musste eher auf die Gesamtsituation schauen. Im Moment wagt sich im Iran niemand aus dem Lager des liberal gesinnten Präsidenten Rohani, Farbe zu bekennen – um den Hardlinern keine Nahrung für Propaganda-Feldzüge zu geben. Die kritischen Filmemacher, die spannende sozialkritische Stoffe erzählen, erhalten in dieser Atmosphäre nicht viel Unterstützung.
Am Festival gab es daher eher Mittelmass und Mutlosigkeit. Zwar gibt es eine gewisse ästhetisch Öffnung gegenüber den wirklich düsteren Jahr unter Ahmadinedschad, aber die Stoffe waren doch eher altbekannt. Die unabhängigen, kritischen Regisseure haben am Festival gar nicht teilgenommen: Ihre Filme wurden zensiert oder sie wurden nicht zum Festival zugelassen. Im Moment herrscht im Iran eher eine Wartestimmung – keiner will sich zu weit aus dem Fenster lehnen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 6.2.2015, 17.40 Uhr