Serge ist ein selbsternannter Menschenfeind, der seit drei Jahren einsam in einem baufälligen Haus auf der Île de Ré lebt. Hier geniesst der ehemalige Schauspieler die Ehrlichkeit und Ruhe, die ihm im Showbusiness immer gefehlt hat. Doch nun soll er zurück ins Rampenlicht. Gauthier, ein Kollege aus alten Schauspieltagen, plant sein Debüt als Theaterregisseur. Ausgerechnet mit Serges Lieblingsstück: «Der Menschenfeind».
Die Schlüsselfrage des Films lautet folglich: Gelingt es Gauthier, Serge zurück auf die Bühne zu locken? Da Serge zögert, aber die Zeit drängt, finden die gemeinsamen Proben kurzerhand auf dem Velo statt. Auf langen Fahrten kommt die Geschichte über Freundschaft, Rivalität und Eitelkeit so allmählich ins Rollen.
Das stärkste Zitat
«Ich mag keine Schauspieler, das sind alles Narzissten!» – Die umworbene Francesca nimmt bei ihrer ersten Begegnung mit Gauthier und Serge kein Blatt vor den Mund.
Fakten, die man kennen sollte
Trotz geringem Werbe-Etat war «Alceste à bicyclette» in Frankreich ein überraschender Publikumshit. Die Qualität des Films sprach sich herum. Schade, dass es so etwas nur noch selten gibt.
Was es hingegen viel zu oft gibt, ist der seltsame Umgang mit Filmtiteln. In Deutschland ist die menschenfeindliche Molière-Figur «Alceste» nur den wenigsten bekannt. Darum startete der Film dort als «Molière auf dem Fahrrad». Für den Start in der Deutschschweiz hat sich der Verleih für eine frankophile Mischform entschieden: «Molière à bicyclette».
Diese Strategie erinnert ein wenig an den Fussballfilm «Bend it like Beckham», der im deutschsprachigen Raum unter dem Titel «Kick it like Beckham» vermarktet wurde. Beckhams Bananenflanken («to bend» heisst biegen) mangelte es im deutschen Titel so etwas an Raffinesse – im Dienste der Verständlichkeit. Um «Kick» zu verstehen, braucht man keine Englischkenntnisse. Trotzdem bleibt die Illusion bestehen, dass es sich um den Originaltitel handelt. Puristen werden über solche Kompromisslösungen freilich immer die Nase rümpfen. Doch anders als bei «Bend it like Beckham» geht bei «Alceste à bicyclette» durch die Titelveränderung nur wenig Substanz verloren.
Der Regisseur
Eigentlich wollte Philippe Le Guay den in Frankreich äusserst populären Schauspieler Fabrice Luchini für einen ganz anderen Film verpflichten. Doch irgendwie schaffte es letzterer nie, das Drehbuch zu lesen. Schlimmer noch: Luchini verlor es und zwar gleich mehrere Kopien davon.
Vielleicht hilft es, das Skript persönlich vorbeizubringen, dachte sich Le Guay daraufhin. Also schwang sich der Regisseur auf seinen Drahtesel, um zu Luchinis Landsitz auf der Île de Ré zu radeln. Doch auf dem Weg dorthin kam er mit dem Velo ins Schleudern und landete in einem Graben. Als ihn Luchini dort in misslicher Lage entdeckte, grüsste er ihn mit einem Zitat aus Molières «Menschenfeind». So entstand die Idee zu «Alceste à bicyclette» – sofern man dem Pressetext glauben kann.
Das Urteil
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Erzählerisch bietet der Film nicht viel. Man erfährt, dass Schauspieler Narzissten sind, die andere manipulieren, um zu kriegen, was sie wollen: den grossen Auftritt, die volle Aufmerksamkeit, die totale Anerkennung. Sowohl Serge als auch Gauthier sind Menschenfeinde, die sich eher als Rivalen denn als Freunde begreifen.
Und doch ist es eine helle Freude, ihnen beim Streiten zuzusehen. Sogar wenn sie über trockene Materie wie die richtige Betonung von Molières Alexandrinern und andere Versen fachsimpeln. Wie ist das möglich?
«Alceste à bicyclette» wird von exzellenten Schauspielern getragen, denen es gelingt, die Abgründe ihrer Figuren nicht monströs, sondern menschlich erscheinen zu lassen. Lambert Wilson verleiht Gauthier viel Charme und Griesgram Serge möchte man dank Fabrice Luchinis Performance am liebsten knuddeln.