Die Anwältin Tony (Emmanuelle Bercot) trifft auf den Restaurantbesitzer Georgio (Vincent Cassel). Es funkt. Und zwar lange: Eine Ehe, ein Kind werden folgen. Zehn Jahre dauert diese Amour fou. Eine hochemotionale Beziehung unter zwei Menschen, die sich auf gefährliche Weise schaden – vor allem er ihr – und die doch nicht voneinander lassen können. Zehn Jahre siebter Himmel, zehn Jahre Horror. Am Schluss – und hier erst beginnt die Geschichte, die danach in Rückblenden erzählt wird – ist Tony am Tiefpunkt angelangt. Sie hat sich bei einem Sturz auf der Skipiste ein Bein gebrochen. In der Reha muss ihr Knie heilen, ihre Seele auch.
Zwischen Glück und Verzweiflung
Die französische Regisseurin Maïwenn setzt in «Mon roi» kaum Zwischentöne. Sie schildert Momente des absoluten Glücks – tendenziell kurz – und Momente der totalen Verzweiflung – tendenziell lang. Was Maïwenn zeigen will, spielt sich nicht in den Köpfen ihrer Protagonisten ab, sondern es geschieht mit deren Geist und deren Körpern. Zwischen ungebremster erotischer Anziehung und blindem Hass geht alles – Hauptsache, es ist exzessiv.
Man fühlt sich an die Hysterie der frühen Filme von Andrzej Zulawski erinnert, wenngleich mit dem Unterschied, dass in dessen Werken auch die Männer ihre selbstzerstörerischen Seiten hatten, während dieser Wesenszug in «Mon roi» weitgehend der weiblichen Protagonistin vorbehalten wird.
Hysterisch?
Das Wort ist gefallen: Hysterie. Ein Begriff, der sich aufgrund seiner sexistischen Konnotation längst aus dem Fachvokabular der Psychiatrie verabschiedet hat, der aber in den Rezensionen zu «Mon roi» seit der letztjährigen Weltpremiere am Filmfestival von Cannes auffallend oft Verwendung fand, insbesondere, wenn sie von Männern geschrieben wurden. Man begreift warum: Die emotionalen Überreaktionen der weiblichen Hauptfigur dominieren, das Geschehen wird konsequent aus ihrer Perspektive geschildert und ihre zunehmende Verzweiflung ist das Hauptmotiv.
Lediglich auf das Verhalten der Protagonistin bezogen ist das Wort «hysterisch» an sich noch unproblematisch – die in Cannes preisgekrönte Hauptdarstellerin Emmanuelle Bercot hat es in Interviews gleich selbst auf ihre Figur angewendet. Aber es wurden in der Presse auch unlautere Zusammenhänge zwischen der öffentlichen Biografie von Maïwenn und dem Inhalt von «Mon roi» hergestellt. Maïwenn ist in der französischen Klatschpresse nun einmal keine Unbekannte: Ihre Beziehungen mit Luc Besson in den Neunzigern – sie wurde im Alter von 17 ein erstes Mal Mutter – und ihre kurze Ehe mit dem notorischen Schürzenjäger Jean-Yves Le Fur gaben zu reden.
Autobiografisch?
Maïwenn selbst streitet solche Bezüge vehement ab. Die auch als Schauspielerin und Model bekannte Filmemacherin hat nicht zuletzt auf die Hauptrolle ihres Films verzichtet, um derartige Vorwurfe präventiv zu entkräften. Und man bedenke: Ein Mann wie Woody Allen – um nur einen unter vielen zu nennen – hat für die öffentliche Zurschaustellung seiner Neurosen meistens nur Lob erfahren.
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In anderen Worten: Es war bei diesem intensiven Film fast zu erwarten, dass er in einigen Rezensenten eine misogyne Seite wecken würde. Dabei krankt «Mon roi» gar nicht an der Selbstbezogenheit seiner Macherin, sondern vielmehr daran, dass sie allfällige autobiografische Elemente damit zu vernebeln versucht, dass sie die Lautstärkeregler ihres Films viel zu lange oben behält. Die Freudensmomente ihres Films sind so grell wie die Gefühlsausbrüche schrill, und verteilt auf eine Spieldauer von über zwei Stunden ermüdet das halt, wo es in milderer Dosis hätte aufwühlen können.
Kinostart: 31.03.2016
Sendung: Radio SRF2 Kultur, Kultur kompakt, 30.06.2016, 17:06 Uhr.