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Film & Serien «Nahid»: Eine iranische Mutter kämpft für ihr Recht auf Glück

Während Regisseure wie Jafar Panahi und Asghar Farhadi internationalen Ruhm geniessen, ist im Iran bereits eine neue Filmgeneration am Start: Das Frauenporträt «Nahid» handelt von einer Liebesbeziehung mit Hindernissen. Eine starke Story verhandelt feministische Anliegen ohne belehrend zu sein.

Nahid ist um die 30 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Sohn in einem nicht sonderlich schmucken Küstenstädtchen am Kaspischen Meer. Die Scheidung, die sie hinter sich hat, war zweifellos eine schmutzige. Immerhin hat Nahid erreicht, dass ihr Ex-Mann, ein Krawallbruder mit Drogenproblemen, das Sorgerecht für das gemeinsame Kind nicht bekam. Aber der Ex hat diesbezüglich eine merkwürdige Auflage erwirkt: Wenn Nahid einen anderen Mann heiratet, muss sie ihren Sohn doch noch dem Vater abgeben.

Ahmad und Amir Reza liegen am Strand.
Legende: Kein Mustervater: Ahmad (v.) mit seinem Sohn Amir Reza. NOORI PICTURES

Und Nahid will wieder heiraten. Sie hat einen attraktiven Witwer kennengelernt, der am Strand ein Hotel führt und ebenfalls alleine ein Kind erzieht. Die junge Liebe der beiden scheint durchaus gegenseitig, doch Nahid muss sich entscheiden: Wenn sie zu ihrem Liebhaber steht, verliert sie den Sohn. Oder gäbe es vielleicht gar die eine oder andere Möglichkeit, dem drogenabhängigen Ex-Mann ein Schnippchen zu schlagen?

Feminismus, aber nicht nur

Wie es sich aus diesem kurzen Handlungsbeschrieb unschwer herauslesen lässt, verfolgt der Film «Nahid» ein dezidiert feministisches Programm: Es wird sorgfältig und manchmal fast exemplarisch herausgestrichen, wo Frauen in der iranischen Gesellschaft zu kurz kommen und welche Rechte ihnen verwehrt werden, sei es aus religiösen, politischen oder juristischen Gründen. Eine harte Kritik am Patriarchat schimmert durch. Das ist natürlich löblich, aber es macht noch keinen guten Film.

Gut ist «Nahid» vielmehr, weil einem diese Geschichte nicht als ein trockenes Fallbeispiel präsentiert wird, aus dem man eine bestimmte Lehre zu ziehen hätte. Die weibliche Hauptfigur entspricht nicht dem ärgerlichen Klischee einer schwachen, unterdrückten Frau, sondern sie ist eine resolute, selbstsichere und vor allem glaubwürdige Mutter samt Stärken und Schwächen. Trotz chronischem Geldmangel leistet sie sich ab und zu etwas Luxus: Sie möchte ein besseres Leben, und sie tut alles dafür, um es zu bekommen.

Die iranische Regisseurin Ida Panahandeh.
Legende: Wurde für ihr Spielfilmdebüt gleich an mehreren Filmfestivals weltweit ausgezeichnet: Regisseurin Ida Panahandeh. Keystone

Lebensechte Figuren

Man könnte gar sagen, Nahid – kraftvoll gespielt von Sareh Bayat (bekannt aus «A Separation» von Asghar Farhadi) – ist mit allen Wassern gewaschen. Die Liste der Dinge, die Nahid tut, um an ihre Ziele zu kommen, ist lang: Sie schmeichelt, bettelt, droht, verheimlicht, schimpft und greift nicht selten auf Ausreden zurück.

Weil sie befürchtet, dass ihr Sohn die schlechten Charakterzüge seines Vaters annehmen könnte, schickt sie ihn auf eine teure Schule, obwohl dies weder seine schwachen Leistungen noch die knappe Haushaltskasse rechtfertigen. Streckenweise kommt gar der Verdacht auf, dass sie an ihrem neuen Liebhaber vor allem dessen Geld interessant findet.

In diesem Sinne schiesst sich «Nahid» nicht ein auf reine Sozialkritik, sondern entwirft ein vielschichtiges Porträt einer Gesellschaft, in dem nicht allein das politische System an den Problemen schuld ist, sondern in vielen Fällen auch die Figuren selbst. Durch diesen Ansatz wird der Film auf der menschlichen Ebene nachvollziehbar und erfrischend undogmatisch. Nicht zuletzt sorgt die ganze Zeit über ein ausgewogener Mix aus Spannung, Drama und teils frecher Komik dafür, dass man sich bis zum Schluss für das Schicksal dieser Personen interessiert.

Kinostart: 16.06.2015

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