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Frau sitzt an Schminktisch.
Legende: Klischee gefällig? Das It-Girl Kleopatra (Pegah Ferydoni) sagt in der ZDF-Sendung Sätze wie «Ich bin niemandes Beute.» ZDF/Christina Rose

Film & Serien Neues History-TV – warum Kleopatra als It-Girl inszeniert wird

Geschichtsformate im TV waren lange Zeit schulmeisterlich – und langweilig: schwarz-weisse Zeitdokumente, eingeordnet von einem Historiker. Das war zwar lehrreich, aber wenig erfolgreich. Moderne History-Formate sind dagegen sind bunt, fiktional – und erfolgreich. Aber auch lehrreich?

Wenn Fernsehsender heute ihre «Perlen aus dem Archiv» präsentieren, können wir kaum glauben, dass wir das früher geschaut haben – und das auch noch freiwillig. So bieder, so bräsig, so schulmeisterlich wirkt das heute. Sendungen über Geschichte sind Musterbeispiele dafür.

Geschichte war schwarz-weiss

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Geschichtssendungen firmierten traditionell unter dem Etikett Bildungsfernsehen. Sie waren rein dokumentarisch und zeigten Schwarz-Weiss-Filme aus alten Wochenschauen, historische Stiche, hier und da mal einen architektonischen Zeitzeugen, altes Gemäuer, das heute noch steht.

Kurz, es war ein Fernsehformat, gebaut wie ein wissenschaftlicher Aufsatz in einer Fachzeitschrift: erst das historische Dokument, dann die akademische Auslegung. So gab es auch immer einen Historiker, der dem Zuschauer am Ende erklärte, was er gerade gesehen hatte. Geschichtsfernsehen war frei von Unterhaltung, ohne jede Emotion und garantiert humorfrei.

Das Dilemma des Bildmediums

Die Zuschauer sahen solche Sendungen zu hause auf ihrem weichen Sofa, fühlten sich aber, als sässen sie noch auf der harten Schulbank. Die Folge: Sie zappten weg. Die Macher mussten sich etwas einfallen lassen. Aber was tun, wenn das Fernsehen beispielsweise einen Beitrag über Kleopatra bebildern muss? Die Quellenlage ist dünn: Primärquellen gibt es keine, die Berichte über die ägyptische Herrscherin von Plutarch, Cassius Dio oder Cicero sind tendenziös. Dargestellt ist die ägyptische Königin nur auf einigen Münzen und Skulpturen.

Mit Schauspielern nachgestellt

Bewegte Bilder solcher historischen Persönlichkeiten der Geschichte lassen sich nur zeigen, wenn man diese nachstellt. Reenactment nennt sich diese Form, die zuerst vom angelsächsischen Fernsehen aufgegriffen wurde. Historische Personen und Szenen werden mal mehr und mal weniger originalgetreu von Schauspielern dargestellt.

Manches, was die Schauspieler sagten oder taten, war durch Quellen gestützt. Doch wie die historischen Figuren sprachen oder sich kleideten, war nur schwer zu belegen; was sie dachten oder fühlten, gar nicht. Manche Historiker lehnten deshalb das Reenactment als unwissenschaftlich ab, evoziert es doch eine Detailtiefe, die so nicht zu belegen ist.

Beliebtes TV-Format

Doch das Reenactment war als Fernseh-Format erfolgreich und wurde im deutschsprachigen Raum vor allem von Guido Knopp im ZDF immer häufiger eingesetzt, anfänglich noch als Mischform: Gespielte Szenen stehen neben historischen Dokumenten und Wissenschaftler ordnen das Ganze ein, so wie in grossen abendfüllenden Formaten wie «Die Deutschen» (ZDF) oder «Die Schweizer» (SRF).

It-Girl Kleopatra

Das neueste ZDF-Format, verantwortet von Knopps Nachfolger Stefan Brauburger, treibt das Reenactment auf die Spitze: Die Sendereihe «Frauen, die Geschichte machten» zeigt die Biographien von sechs Frauen von Kleopatra bis Sophie Scholl. In 45-minütigen Minidramen spielen Schauspielerinnen die historischen Figuren, als würden sie bei «Aeschbacher» über ihr Leben plaudern. Auf Dokumente, Zeitzeugnisse oder Historiker, die Personen und Ereignisse einordnen, verzichtet das ZDF in diesen Filmen ganz.

Hintergrund gibt es im Internet

Stefan Brauburger, Leiter der Redaktion Zeitgeschichte beim ZDF, verweist Kritiker des neuen Formats auf die Internetseite des Senders. Und tatsächlich findet der interessierte Zuschauer dort Statements von Historikern und Hintergrundartikel, beispielsweise den mit dem schönen Titel: «Kleopatra, die Fashion-Queen vom Nil. Zwischen Macht und Make-up.»

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