Was bedeutet es, wenn die NZZ am Sonntag und das ZFF gemeinsam eine Filmzeitschrift herausgeben?
Thomas Schärer: Da wird man natürlich hellhörig, wenn zwei so wichtige Player in Zürich zusammen etwas machen – das Zurich Film Festival (ZFF), das sich sehr profiliert hat, und der der seriöse Titel «NZZ am Sonntag». Sicher nicht nur aus Liebe zum Film, aber auch. Man vermutet handfeste Interessen dahinter. Man könnte vermuten, dass vom ZFF eine Hofzeitschrift gehalten wird. Aber anscheinend läuft «Frame» über das alte Inserate-Modell, nicht zuletzt dank der sehr guten Kontakte des ZFF – das scheint zu funktionieren.
Beide Partner reden ganz offen von sogenannten Synergien. Wie muss ich mir das vorstellen?
Da haben sich wirklich zwei gefunden, die sich gegenseitig etwas liefern können. Der ambitionierte Filmredaktor der «NZZ am Sonntag», Christian Jungen, hat schon lange von einer eigenen Filmzeitschrift geträumt. Die Frage war immer, wie man das finanzieren kann. Und das ZFF hat sich eine potentielle Plattform geschaffen, die jetzt in der ersten Ausgabe sehr neutral daherkommt – abgesehen von den einschlägigen Inseraten, die man als Sponsoren des Festivals kennt. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Wie unabhängig ist denn ein solcher Filmjournalismus?
Der Beweis wird kommen, wenn die nächste Nummer herauskommt. Da wird sich dann zeigen, ob das eine Hof-Postille oder eine unabhängige, selbständige Filmzeitschrift ist. Doch die erste Nummer scheint mir weitgehend unabhängig zu sein.
Die «NZZ am Sonntag» schreibt, das Festival sei sozusagen ein Türöffner. Gibt es einen Artikel im aktuellen Heft, der nur dank des Festivals zustande gekommen ist?
Es gibt einen Hintergrundartikel über die Mechanismen des Oscar-Business, da ist «Frame» wirklich einen Schritt weitergegangen. Wahrscheinlich dank der Kontakte des Festivals. Ich hab von Christian Jungen gehört, dass er selbst versucht hat, in den Inner Circle einzudringen und Interviews zu kriegen, und dass ihm das bislang nicht gelungen sei. Jetzt scheint das funktioniert zu haben.
Im Editorial steht, dass «Frame» im Filmjournalismus neue Standards setzen wolle. Das klingt vollmundig, wurde dieser Anspruch in der ersten Ausgabe erfüllt?
Das klingt tatsächlich unschweizerisch unbescheiden. Aber ich finde die erste Nummer weitgehend gelungen. Die Artikel lesen sich gut, das Heft liegt gut in der Hand und ist schön gelayoutet. Es erinnert mich sehr an «Sight & Sound», die britische Filmzeitschrift, tatsächlich wurde «Frame» vom gleichen Layouter gestaltet. Ich schätze vor allem, dass das Heft nicht nur Aktualitäten bringt, sondern auch historisch zurückblendet in zwei hervorragenden Artikeln. Zum Beispiel zum Filmschaffen von Andy Warhol oder ein Rückblick über das kubanische Filmschaffen der letzten zehn Jahre.
In den letzten Jahren sind viele Filmzeitschriften verschwunden, an ihre Stelle sind Blogs getreten. Was glauben sie, füllt «Frame» eine Marktlücke?
Ich kann mir das durchaus vorstellen, weil sich die Filmzeitschrift an ein grosses Publikum richtet, vor People-Geschichten nicht zurückschreckt, aber auch seriös berichterstattet – das gibt es in der Art nicht. Ein Blog richtet sich schon sehr an die Aktualität, und am Sonntag bin ich persönlich nicht gern am Bildschirm, da habe ich schon lieber eine schöne Zeitschrift in der Hand.
Wird es das Heft in fünf Jahren noch geben?
Falls es der Chefredaktion gelingt, wirklich unabhängig zu sein vom ZFF und weiterhin ein gutes Heft zu machen, dann bestehen schon Chancen, dass wir in fünf Jahren auch noch «Frame» lesen.