Nicole Knuth, hat Ihnen Opa Gustav eigentlich als Kind jeden Wunsch von den Augen abgelesen?
Nicole Knuth: Ich musste als kleines Kind bloss mit sehnsuchtsvollem Blick vor einem Spielwarengeschäft stehenbleiben, schon ging Opa rein und kaufte mir das Gewünschte. Ganz zum Ärger meiner Familie.
Diese rief jeweils eine pädagogische Konferenz ein, um dem Opa klar zu machen, dass das Kind nicht alles kriegen darf. Er sagte dann: «Ja, ich versteh’s» – hielt sich aber nie daran. Er und ich hatten einen Trick, diese erzieherischen Massnahmen zu umgehen.
Wie funktionierte dieser Trick?
Ich wollte mit einer Freundin zusammen ein Schlauchboot kaufen. Da war ich elf oder zwölf Jahre alt. Opa wollte uns das Boot schenken, aber der Familienrat war dagegen. Wir sollten es uns verdienen. Opa zwinkerte mir zu. Ich wusste, was das bedeutet.
Beim Abschied gab er mir ganz förmlich die Hand und sagte: «Tschüss, meine Süsse». Diese Förmlichkeit war unüblich in unserer Familie. Ich gab ihm dann auch brav die Hand und er steckte mir heimlich ein Nötchen zu. So hatte ich nach zwei förmlichen Abschieden das Geld für das Schlauchboot beisammen.
Sehr populär wurde Gustav Knuth in den 1950er-Jahren. Er spielte den Vater von «Sissi», Herzog Max von Bayern. Wann haben Sie gemerkt, dass Ihr Grossvater berühmt ist?
Das erste Mal erlebte ich seine Popularität im Zirkus Knie. Opa spielte Anfang der 1970er-Jahre einen Zirkusdirektor in der TV-Serie «Salto Mortale». Zusammen mit der ganzen Familie wurde er zur Premiere eingeladen. Als wir auftauchten, applaudierten die Leute und ich dachte: «Du lieber Himmel, den Opa kennen ja alle!»
Das zweite Mal war etwas später in Berlin: Ich war vierzehn und begleitete ihn zu Dreharbeiten. Wir spazierten durch die Strasse und die Menschen rannten schreiend auf ihn zu: «Gustav! Gustav!». So etwas hatte ich noch nie erlebt. Auch damit muss man umgehen können als erfolgreicher Schauspieler.
Sie sind Schauspielerin, wie die meisten Mitglieder Ihrer Familie. Was hat Ihnen Opa Gustav mit auf den Weg gegeben?
Er war ein leidenschaftlicher, bedingungsloser Schauspieler. Und er war auch nachdenklich, hatte eine introvertierte Seite, die wenigsten wussten davon. Opa Gustav lehrte mich, das Theatermachen als Leidenschaft zu sehen, gepaart mit Gauklertum. Populär sein war für ihn nichts Besonderes. Er war immer nett und freundlich zu allen.
Ihr Opa starb 1987, da waren Sie 22 Jahre alt. Wie haben Sie seinen Tod erlebt?
Er war absehbar. Opa Gustav hatte einen Schlaganfall, lag eine Woche im Spital und war eigentlich schon weg. Die letzten Monate vor seinem Tod waren schwieriger für mich, als sein Abgang sich anbahnte. Ich mochte ihn sehr. Er hat ein grosses, reiches Leben gehabt und viel erlebt. Und wir haben zusammen viel Blödsinn gemacht.
Wenn Sie sich heute alte Filme wie «Sissi, die junge Kaiserin» anschauen, in denen ihr Grossvater mitspielte – was passiert da bei Ihnen?
Ich lache mich kaputt ihn als Max von Bayern zu sehen. Ausgerechnet Gustav! Er war ja weiss Gott kein Bayer. Aber sonst passiert bei «Sissi» nicht viel in mir. Den Film habe ich zu oft gesehen.
Starke Erinnerung ruft hingegen die TV-Aufzeichnung der Uraufführung von Dürrenmatts Stück «Meteor» 1966 am Zürcher Schauspielhaus hervor. In einer Nahaufnahme legt mein Grossvater seinen Händen an das Gesicht. Diese Hände kannte ich aus meiner Kindheit. Das berührt mich sehr.