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Film & Serien Nixon – vom Präsidenten zur Karikatur

Richard Nixon ist das Symbol für den amerikanischen Traum, der zum Albtraum wird. Durch seine Widersprüchlichkeit wird Nixon posthum zu einer tragischen Film-Figur. Am 9. Januar wäre er 100 Jahre alt geworden – ein Rückblick auf den Politiker in Film und Fernsehen.

Am 27. April 1994 wird Richard Milhous Nixon zu Grabe getragen. Es ist, obwohl von den Medien übertragen, kein Staatsbegräbnis. 20 Jahre zuvor war der 37. Präsident der Vereinigten Staaten zurückgetreten, präventiv sozusagen, denn seine Amtsenthebung in Folge des Watergate-Skandals war unvermeidlich geworden.

Auf einer schwarz-weiss Fotografie aus dem Jahr 1972 sieht man in der linken Bildhälfte Mao, rechts neben ihm Nixon.
Legende: Die Öffnung nach China, ein filmreifer Moment: Richard Nixon und Mao Zedong 1972 in Peking. Wikimedia

Der Republikaner Richard M. Nixon war von 1969 bis 1974 Präsident der Vereinigten Staaten. In seine turbulente Amtszeit fallen die SALT-Verhandlungen (Strategic Arms Limitation Talks) mit der UdSSR und die nukleare Abrüstung, der Anfang vom Ende des Vietnamkriegs und die Öffnung nach China. 1972 feiert die so genannte Ping-Pong-Diplomatie mit Nixons Besuch in China ihren Höhepunkt. Das ist alles vergessen: Hört man heute Nixon, denkt man an Watergate und an die Korruption im Weissen Haus.

Gelebte Medienkritik

Nixon und dessen oft missglückte öffentliche Auftritte zeigen den Widerspruch in Nixon selbst und betonen den künstlichen Charakter der Mediengesellschaft. Nixon ist das Sinnbild einer verdrehten und korrupten Persönlichkeit, das tragische Beispiel der Kehrseite des amerikanischen Traums: Nixon ist gelebte Medienkritik.

Der Amerikanische Mythos: Traum oder Albtraum?

Kein Wunder, dass kein anderer Politiker bis zum heutigen Tag einen solchen Widerhall in der Kultur der Vereinigten Staaten gefunden hat wie Richard Nixon. Sein zweifelhafter Ruf und seine Schattenseiten haben ihn zu einer Figur der populären Kultur gemacht. Nixons Aufstieg, aus dem Nichts zum Gipfel des Erfolgs, widerspiegelt den amerikanischen Traum. Sein Bild in der Öffentlichkeit offenbart die Widersprüche des populären Amerikanischen Mythos.

Politik und Schauspiel

Nixons Demontage vollzieht sich in drei Schritten, beginnend mit seiner Bewerbung für den Kalifornischen Senat. 1952, angeklagt Wahlkampfmittel veruntreut zu haben, zementiert Nixon das Bild des paranoiden, berechnenden Politikers, der die Medien und sein Umfeld manipuliert.

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Unvergessen der «Checkers-Speech», mit dem sich Nixon an die Fernsehöffentlichkeit wendet, um sich zu entschuldigen. Nixon inszeniert sich als Mann, dessen Aufrichtigkeit und Integrität von politischen Gegnern in Frage gestellt werden und geht in seiner Anbiederung noch weiter, als er zum Geschenk eines reichen Texaners sagt: «Wissen Sie, was es war? Es war ein kleiner Cockerspaniel, den sie mir aus Texas geschickt haben. (…) Und unsere kleine Tochter – Tricia, die 6jährige – nannte ihn Checkers. Und wissen Sie, die Kinder lieben diesen Hund und ich möchte sagen, egal was man von mir denkt, wir werden ihn behalten.»

Die öffentliche Resonanz war riesig, der Auftritt ein Erfolg, trotz kritischer Stimmen. Hollywood Produzent Darryl Zanuck nannte die Fernsehansprache «Die grauenvollste schauspielerische Leistung, die ich jemals gesehen habe.»

Hannibal Lector als Nixon

Anthony Hopkins steht als Nixon vor einem grossen Fenster seinem Stabschef Haldeman gegenüber. Im Hintergrund steht die amerikanische Flagge.
Legende: Nixon (links, Hopkins) mit seinem Stabschef Harry Robbins Haldeman (James Wood). Reuters

Nach seinem Tod wird Nixon zur tragischen Figur in biografischen Filmen. 1995 zeigt Oliver Stone in dem Film «Nixon» den Politiker als Helden und Gauner. In der ersten Szene des Films sieht man Nixon, der auf die Watergate Tonbänder wartet. Er sitzt da, in sich zusammengesunken, das Kaminfeuer flackert, ein Mann im Zwielicht.

Für den Filmemacher Stone hat Nixons Identitätsverlust biblische Dimensionen. Für die Besetzung von Nixon hat sich Stone viel Zeit gelassen. Stones Entscheidung, den britischen Schauspieler Anthony Hopkins auszuwählen, hat mit dessen Stellung in der populären Kultur zu tun. 1991 war Hopkins als Hannibal Lector in Jonathan Demmes «Schweigen der Lämmer» weltberühmt geworden. Die Figur des Hannibal Lector ist so stark, dass sie Hopkins Verkörperung von Nixon eine diabolische Dimension verleiht.

Nixon, Vampire und Serienkiller

In «Frost/Nixon» (2008) geht es weniger um historische Ereignisse, als um die Perzeption der Welt als Bühne. Filmemacher Ron Howard inszeniert Interviews, die der britische Fernsehmoderator David Frost 1977 mit Richard Nixon führte als artifiziell und vorher abgesprochen. Der Film vermittelt den Eindruck, dass Frost Nixon dennoch dazu gebracht hat, mehr zu enthüllen, als bekannt war. In Wirklichkeit hatte Nixon während der Interviews mit Frost gar nichts enthüllt. Hauptdarsteller Frank Langella ist dem Kinopublikum noch als Dracula in Erinnerung. Verfolgt man die Entwicklung von Nixons Bild in der Öffentlichkeit, kann man sagen, dass die Rezeption Nixons den Vergleich mit Vampiren und Serienkillern tatsächlich zulässt.

Eine politische Karikatur

In Alan Moores Graphic Novel «Watchmen», verfilmt 2009, wird Nixons Bild zum Symbol unkontrollierter Macht und Dekadenz: Die USA haben den Vietnamkrieg gewonnen, Watergate hat nie stattgefunden und Richard Nixon seine fünfte Amtsperiode angetreten. Hier suggeriert schon die überproportionierte Nase des Präsidenten, dass wir uns eher im Bereich der politischen Karikatur, als in der Realität befinden.

In der populären Trickfilmserie Futurama ist die Wandlung zur vollends karikaturalen und fiktionalen Figur vollbracht. Richard Nixon als Formaldehyd konservierter Talking Head.

Nixon, der Kämpfer, hat den Kampf um sein Image verloren, für immer.

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