Mia Wasikowska ist India Stoker, deren geliebter, reicher Vater just an ihrem 18. Geburtstag einen tödlichen Unfall erleidet. Nun sitzt India im väterlichen Anwesen, mit der unzuverlässigen Mutter Evelyn (Nicole Kidman) und einem plötzlich aufgetauchten, eigenartig anziehenden Onkel Charlie (Matthew Goode).
Dass ihr niemand erklärt, wo dieser Bruder des Vaters plötzlich herkommt, macht die Situation nicht einfacher. Ebenso wenig wie seine an Arroganz grenzende Selbstsicherheit und seine offensichtliche erotische Anziehungskraft nicht nur auf India, sondern auch auf ihre Mutter. Und auf Indias Schulkolleginnen: Als Onkel Charlie versucht, sie im offenen Jaguar von der Schule abzuholen, steigt sie zwar lieber in den Schulbus. Aber ihre Kolleginnen kichern und johlen und winken dem hübschen jungen Mann im Auto zu.
Spiel mit der erwachenden Sexualität
Atmosphärisch ist «Stoker» von Anfang an sehr eigenwillig. Aber die Kombination von Lolita-Momenten (wenn auch eigenwillig verdreht) mit erotischer Aufladung und das doch eher in Altmänner-Perspektive betriebene Spiel mit der erwachenden Sexualität und ihrer angeblichen Todesnähe erinnert auch daran, wer den Film produziert hat: Der 75-jährige Ridley Scott und sein mittlerweile verstorbener Bruder Tony.
«Stoker» ist eigentlich eine Gothic Novel, eine jener Familiengeschichten, in denen die tragische Vergangenheit der Vorfahren die jüngsten Nachkommen einholt. Dass Park Chan-wook mit den alten Motiven dermassen souverän spielen kann, wie er es hier tut, liegt fast ausschliesslich an seinem für uns doch immer wieder überraschenden Blick. Dabei kombiniert er schamlos bekannte Kinomomente zu eigentlichen Bewegungscollagen.
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Absehbarer Plot, Überraschung zum Schluss
Wenn Charlie India in den düsteren Keller schickt, um die Eiscreme in die Gefriertruhe zu legen, dann bringt sie unten im Vorbeigehen eine Hängelampe zum Schwingen, die Kellerszene aus Psycho verbindet sich mit jeder Leiche-in-der-Tiefkühltruhe-Szene, die wir je gesehen haben. Und wenn India mit einem halbstarken Motorradboy auf dem Spielplatz am Waldrand umherspaziert, dann wird sie von der Regie auf eines dieser Kinder-Drehkarusselle gestellt, worauf sie natürlich während des Redens dauernd in den Hintergrund und dann wieder nach vorne pendelt.
Diese kinetischen Inszenierungen in oft mit starrer Kamera gefilmten Tableaus geben dem Film einen eigenen Zauber. Wer sich diesen Tricks entlanghangelt und sich damit über die teilweise sehr absehbaren Plotwendungen in der ersten Filmhälfte hinweg tröstet, wird dann tatsächlich überraschend belohnt. Die letzte halbe Stunde von «Stoker» ist sozusagen die Payload des Films. Zwar kommt alles, wie es kommen muss. Das aber knüppeldick und ziemlich schwarz.