Dass ein Film aus Belgien am renommierten Sundance-Festival in den USA eine Reihe eröffnet, ist nicht alltäglich. Aber «Belgica» von Felix van Groeningen bietet Style und Sound und Bruderzwist mitten im dampfenden Nachtclubleben von Gent.
Mann macht Party
Belgica, so heisst ein kleines Café in der Stadt, das Jo (Stef Aerts) gekauft und aufgepeppt hat. Eine bunt durchmischte Szene tummelt sich da, nachbarschaftlich und friedlich. Jos älterer Bruder Frank sieht Potential in der kleinen Bude und vor allem im grossen Saal des Hinterhauses.
Beeindruckt vom Unternehmergeist des Jüngeren schleppt Frank einen befreundeten DJ an, und bald schmieden die Brüder konkrete Ausbau-Pläne – auch wenn Franks Frau dagegen ist. Sie fühlt sich alleingelassen mit dem Kind und der Hundepension, während ihr Mann plötzlich wieder das pralle Leben vor sich sieht.
Basierend auf einer wahren Geschichte
Das Logo des geplanten Clubs zeigt einen Elch beim Besteigen eines Nashorns, ein Motiv, das auch das Filmplakat von «Belgica» irritierend attraktiv macht. Und zudem Franks Charakter ganz gut abbildet. Denn dieser Frank ist ein charismatischer Charmebolzen, eine Wildsau, ein Gebrauchtwagenhändler mit Instinkt und Lebenslust, ein Mann, der eine Betriebsbewilligung auch mal über Bestechungsgelder organisiert oder im Suff mit den Fäusten argumentiert.
Ursprünglich war für die Rolle Belgiens Star Matthias Schoenaerts («Bullhead», «De rouille et d’os») vorgesehen. Schoenaerts war verhindert, aber Tom Vermeir, der die Rolle übernommen hat, steht ihm in Sachen körperlicher und schauspielerischer Präsenz nichts nach. Er ist der ideale Gegenpart für den schmalen, drahtigen Stef Aerts. Und der wiederum spielt seinen vernünftigen, bedächtigen Jo mit zugeklebtem linkem Auge ganz nahe am Vorbild. Denn die Brüder, deren Nachtclub-Geschichte van Groeningen erzählt, die gab es wirklich.
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Nichts für Tussen und Schnösel
Im Film stellen die zwei im Nu eine bunte internationale Truppe zusammen, mit einem Koch aus Nordafrika, Barmädchen aus der Vorstadt, einem liebevollen Brocken als Rausschmeisser. Freundinnen und Freunde: Alle helfen bei Ausbau und Planung des «Belgica».
Auf die Dienste der lokalen Türsteher-Mafia verzichten die Brüder, ihr Club soll eine «Arche Noah» für alle Feierlustigen sein, kein exklusiver Laden für Tussen und Schnösel.
Ein Fest für die Sinne
Dass sich Frank als unstabil und unzuverlässig erweist, dass der Erfolg Probleme mit sich bringt, bis hin zum Brüderzwist, das alles gehört zu diesem Film, der auf der Story-Ebene trotzdem eher dünn bleibt.
Aber dafür ist «Belgica» ein Fest für die Sinne. Die Musiknummern sind gekonnt in einer sagenhaften Live-Atmosphäre inszeniert, zur satten Club-Atmosphäre gesellt sich eine packende Licht- und Farbdramaturgie. Der Film beginnt in warmem Braun, geht über in Rot- und Blauphasen und endet schliesslich in einem melancholischen Morgengrauen.
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Ausgerechnet aus Belgien
Belgica ist kein rundes Melodram wie van Groeningens letzter Kinohit «The Broken Circle Breakdown». Aber grosses, lautes, ungemein lebendiges Kino für Augen und Ohren.